Bisher betreute Martin Heuberger Deutschlands U-21-Auswahl, nun steht er vor seiner Premiere als Handball-Bundestrainer. Foto: dpa

Der neue Handball-Bundestrainer Martin Heuberger über seine Ziele und seine Spielphilosophie.

Stuttgart - Für Martin Heuberger ist es die Premiere als Bundestrainer, für die deutsche Nationalmannschaft wird der Supercup zum Härtetest im Hinblick auf die EM. "Ich werde an Bewährtem festhalten, aber auch neue Impulse einbringen", sagt er vor der Partie an diesem Donnerstag (18.30 Uhr/Sport 1) gegen Dänemark.

Herr Heuberger, wenn Ihnen vor einem Jahr jemand gesagt hätte, Sie sitzen beim Supercup 2011 als Bundestrainer auf der Bank ...
... dann hätte ich das sicher nicht für möglich gehalten. Heiner Brand hatte Vertrag bis 2013, er machte einen guten Job, es gab damals überhaupt keine Notwendigkeit für einen Wechsel.

Ihr Vorgänger steht für Schnauzbart, Weltmeister, Handball-Ikone. Für was steht Martin Heuberger?
(Lacht) Als Heiner Brand vor 14 Jahren angefangen hat, war er auch noch nicht so populär. Er hat sich im Laufe der Jahre zu einer Lichtgestalt entwickelt.

Sie gelten bisher als der zurückhaltende, zuverlässige und fleißige Arbeiter.
Damit kann ich ganz gut leben. Aber ich werde sicher meinen eigenen Stil entwickeln.

Und Heiner Brand lässt Sie, was das Nationalteam betrifft, in Ruhe?
Komplett.

Er spielt in Ihrem Leben als Bundestrainer gar keine Rolle mehr?
Ich bringe mich ja in die gesamte Entwicklung des deutschen Handballs mit ein. Da ist es völlig klar, dass ich mich mit Heiner in seiner Funktion als DHB-Manager austausche. Und wenn ich seinen Rat zur A-Nationalmannschaft brauche, dann frage ich ihn ganz einfach.

Mit der U 21 haben Sie im Juli den WM-Titel geholt. Kann die A-Nationalmannschaft etwas von dem jungen Team lernen?
Handballerisch sicher nichts. Was mich bei meinen Junioren allerdings sehr beeindruckt hat, war der unbedingte Siegeswille, die Bereitschaft, persönliche Interessen hintanzustellen.

Im A-Nationalteam war dies offensichtlich bei der vergangenen WM und EM nicht der Fall.
Bei der WM in Schweden konnte man leider nicht immer den Eindruck haben, dass es für jeden eine Ehre ist, für Deutschland zu spielen.

"Ich werde die Mannschaft optimal vorbereiten"

Wie gehen Sie damit um?
Ich habe bei meiner Antrittsrede der Mannschaft und in Einzelgesprächen jedem Spieler klar und deutlich gesagt: Wenn einer kein Herz hat und nicht mit Leidenschaft spielt, soll er lieber zu Hause bleiben. Jeder, der sich zur Nationalmannschaft bekennt, muss mit Leib und Seele dabei sein und alles für den Erfolg der Mannschaft tun.

Torwart Johannes Bitter pausiert, weil er mehr Zeit für die Familie haben will. Verstehen Sie das?
Ich respektiere das. Mir ist eine solch klare Aussage lieber, als wenn einer mit angezogener Handbremse zur Nationalmannschaft kommt.

Viele hatten nach dem Brand-Rücktritt einen kompletten Schnitt gefordert. Welche neuen Impulse kommen von Ihnen?
Zwei meiner Schwerpunkte liegen auf dem Trainingskonzept und dem Gesundheitsmanagement. Ich habe zum Beispiel ein neuartiges Bewegungsprogramm vorgestellt. Mit diesem speziellen Koordinationstraining verspreche ich mir eine Verbesserung der Konzentrations- und auch der visuellen Wahrnehmungsfähigkeit.

Bringen solche innovativen Trainingsmethoden nicht nur dann Effekte, wenn sie dreimal pro Woche durchgeführt werden und nicht nur bei den Lehrgängen?
Die Nationalspieler bekommen Trainingspläne mit nach Hause. Und ich werde den Vereinen nahelegen, solche Methoden ins Heimtraining mit aufzunehmen.

Fortschrittliches Denken wäre auch bei der Spielphilosophie kein Nachteil. Die deutsche Spielweise gilt als antiquiert.
Da muss ich widersprechen. Heiner Brand hat etwa mit seiner 6-0-Abwehr international Maßstäbe gesetzt.

Ist das Angriffsspiel nicht zu wenig tempoorientiert?
Wir werden versuchen, mehr Tore über den Tempogegenstoß zu erzielen. Aber auch hier will ich, wie in der Abwehrarbeit auch, an Bewährtem festhalten - und auch neue Impulse einbringen.

Welche?
Wir werden in der Abwehr eine offensive 5-1-Formation im Programm haben. Dominik Klein und Uwe Gensheimer sind prädestiniert, um auf der vorgezogenen Position zu spielen.

Als Assistenten haben Sie sich in Frank Carstens den Bundesligatrainer des SC Magdeburg geholt. Ist das nicht unprofessionell?
Warum?

Weil ein Top-Talent jetzt vielleicht nach Magdeburg wechselt, da es sich unter Carstens bessere Chancen fürs Nationalteam ausrechnet.
Also das kann ich mir wirklich nicht vorstellen.

Können Sie sich denn vorstellen, dass Michael "Mimi" Kraus noch bis zur EM im Januar 2012 fit wird?
Ich schließe das nicht aus. Ich habe vor kurzem mit ihm gesprochen und gesagt, er solle jetzt erst einmal schauen, dass er seine Knieverletzung auskuriert. Wenn er fit ist und die nötige mentale Reife mitbringt, dann hat er unwahrscheinliche Qualitäten.

Was ist Ihr Ziel bei der EM in Serbien?
Wir müssen einen der zwei Plätze belegen, die zur Olympia-Qualifikationsrunde im April 2012 berechtigen. Das wollen auch noch acht andere Nationen, darunter Kaliber wie Polen, Tschechien, Russland und Gastgeber Serbien. Wenn wir uns da durchsetzen, müssen wir bei einem der drei Quali-Turniere einen der ersten beide Plätze belegen.

Das klingt nicht besonders optimistisch.
Ich bin Realist. Es wird sehr schwer. Wenn alles optimal läuft, werden wir es schaffen.

Und wenn nicht: Befürchten Sie im schlimmsten Fall womöglich Ihren Rauswurf?
Mit einer solchen Situation beschäftige ich mich nicht. Ich werde die Mannschaft optimal vorbereiten. Außerdem habe ich einen Vertrag beim DHB bis 2014.