Wünscht sich einen glücklichen Ausstand beim THW Kiel: Trainer Alfred Gislason. Foto: dpa

Wenn am diesem Donnerstag die Handball-Bundesliga in die neue Saison startet, ist Alfred Gislason in zweifacher Hinsicht gefordert: Es soll zum Abschied den THW Kiel an die Spitze zurückführen und seinen Nachfolger einarbeiten.

Kiel - Kennen Sie Knattspyrnufelag? Das ist ein Verein in Reykjavik, von dem aus Alfred Gislason einst in die große Handball-Welt hinaus zog. Nun ist der Erfolgstrainer für seine Heimatverbundenheit bekannt, dass er mit dann 59 Jahren am Saisonende aber zu dem isländischen Club mit dem wohl schönsten Vereinsnamen zurückkehrt, ist aber doch eher unwahrscheinlich. Gislasons Zukunft nach dem letzten Spieltag am 9. Juni 2019 ist völlig offen. Fest steht bisher nur: Er wird den THW Kiel verlassen – nach elf Jahren.

In den kommenden Wochen und Monaten ist Gislason in doppelter Mission gefordert: Zum einen soll er die Mannschaft zurück an die nationale Spitze führen, zum anderen Filip Jicha (36) in dessen künftige Aufgabe einarbeiten. Der ehemalige Welthandballer, THW-Kapitän und -Anführer wird 2019 Gislasons Erbe antreten. „Mein Wunsch ist, dass er nach der Saison bereit ist. Und das wird er auch“, sagt Gislason über seinen neuen Co-Trainer.

Gislason ist heiß auf die Schale

Natürlich spürt der dienstälteste Bundesligatrainer nach 22 Jahren in der Beletage die Abnutzungserscheinungen des Geschäfts. „Ich habe mehr Busreisen hinter mir als die meisten hauptberuflichen Busfahrer“, erklärt Gislason, dem bisweilen ein gewisser schwarzer Humor zu eigen ist. Doch wer ihn kennt, weiß: Der isländische Vulkan brodelt bis zum Schluss. Er ist heißer denn je auf die Schale. 2015 feierte der THW die 20. Meisterschaft, danach folgte eine in den vergangenen 25 Jahren einzigartige Durststrecke. Die Entschlossenheit, das alte THW-Sieger-Gen früherer Stars ging verloren. Der Mythos bröckelte. Die erfolgsverwöhnten Zebras wurden von Doppel-Meister Rhein-Neckar Löwen (2016, 2017) und von Erzrivale SG Flensburg-Handewitt (2018) abgehängt. Nach 15 Champions-League-Teilnahmen hintereinander verpasste der THW mit dem enttäuschenden Bundsligaplatz fünf sogar die Qualifikation für die Königsklasse. Das Trostpflaster heißt EHF-Pokal.

Doch über allem steht die Meisterschaft. „Es wäre natürlich genial, wenn wir Alfred zu seinem Abschied einen Titel schenken würden, am liebsten natürlich die deutsche Meisterschaft“, sagt Spielführer Domagoj Duvnjak. Und auch Geschäftsführer Thorsten Storm formuliert den Anspruch offensiv: „THW steht für Angriff.“

THW Kiel in der Favoritenrolle

Mit einem Etat von 9,5 Millionen Euro sind die Kieler weiter Liga-Krösus. Der Kader wurde mit Nationalspieler Hendrik Pekeler noch einmal verstärkt. Neun von 18 Bundesligatrainern sowie Bundestrainer Christian Prokop haben in einer Umfrage den THW als Titelfavoriten Nummer eins genannt, sechs Stimmen erhielten die Rhein-Neckar Löwen, Meister SG Flensburg-Handewitt ging leer aus, zu viele Topstars haben den Titelverteidiger verlassen.

Gislason lässt sich von solchen Prognosen natürlich nicht beeinflussen. Dennoch geht der Hobby-Angler und Historiker mit dem Faible für ein Glas spanischen Rotwein und dunkle Schokolade durchaus zuversichtlich auf seine Abschiedstour: „Mein Gefühl ist gut. Es gibt eine neue Aufbruchstimmung. Es wird wieder eine wahnsinnige interessante Saison, die Fans dürfen sich freuen.“

Geschickter Verkäufer des Produkts Handball

Gislason ist ein geschickter Verkäufer des Produkts Handball. „Stell dir ein Spitzenspiel im Fußball vor, multizipliere den Faktor von Aktion, Schnelligkeit, Spannung, Taktik mit fünf, und schon kommst du auf ein Spitzenspiel im Handball. Es gibt keinen besseren Sport“, lautet seine Liebeserklärung. Kaum vorstellbar, dass so jemand Handball ab Juli 2019 nur vom Sofa aus verfolgt. Schon vor Jahren erklärte er einmal: „Ich habe immer gesagt, dass ich eines Tages eine Nationalmannschaft trainieren möchte. Und da ist die interessanteste der Welt die deutsche.“ Sollte es irgendwann mal zu diesem Engagment kommen, werden sie wahrscheinlich sogar in Knattspyrunufelag Verständnis dafür aufbringen.