Torwart Andreas Wolff ruft nach dem EM-Triumph die nächsten Ziele aus: Olympia-Gold und WM-Titel Foto: Getty

Seit dem EM-Sieg hat Deutschland viele Handballhelden und einen Superstar. Andreas Wolff begeistert mit tollen Leistungen, selbstbewussten Aussagen und viel Ausstrahlung. Der Torwart ist der neue Anführer des Europameisters – und er will mehr als eine Goldmedaille.

Krakau/Berlin - Im Moment des Triumphs dachte kaum einer mehr daran, wie alles begonnen hatte bei dieser EM. Jeder sprach nur von diesem Finale, von dem unglaublichen 24:17 gegen Spanien. „Was wir gezeigt haben, war eine der geilsten Leistungen in der Geschichte des Handballs“, meinte Andreas Wolff. Der Torwart freute sich wie ein kleines Kind, doch wirklich überrascht war er nicht.

Schließlich hatte Wolff (24) schon zehn Tage zuvor, nach dem ersten Sieg in der Hauptrunde gegen Ungarn, vorhergesagt, was passieren würde: „Nach meinem Bauchgefühl gewinnen wir jetzt alle Spiele“, meinte der 1,98 m große und 100 kg schwere Torhüter. Nicht so sehr die Worte an sich beeindruckten zu diesem Zeitpunkt, sondern die Überzeugung, mit der sie vorgetragen wurden. Wolff war gerade erst zur Nummer eins im deutschen Kasten geworden, als er bereits offenbarte, was ihn zu einem der besten Torhüter der Welt macht. Wolff ist beinahe schon übertrieben ehrgeizig, und er trägt ein unerschütterliches Selbstvertrauen vor sich her, das nicht gekünstelt ist – sondern echt. „Glaube kann Berge versetzen“, sagte der Schlussmann nach dem Triumph über Spanien, „und wir haben bei dieser EM einen ganzen Gebirgszug versetzt.“

Wozu das führen kann, sah am Sonntagabend die gesamte Handballwelt. Große Spiele werden von großen Spielern entschieden, heißt es. Nach dieser Definition ist Wolff jetzt ein ganz Großer. Der Torwart wehrte im EM-Endspiel exakt die Hälfte der Würfe auf sein Tor ab, das ist ein beinahe unglaublicher Wert. Am Ende standen in der Statistik 17 Paraden für den Mann, der die spanischen Weltklasse-Angreifer in die Verzweiflung trieb. „Wolff war zu gut“, bekannte Raul Entrerrios, Spaniens Spielmacher.

Sigurdsson zieht Vergleich mit Sterbik

Wie selbstverständlich hatte Wolff die Würfe der Iberer pariert, und wie selbstverständlich sprach er später darüber. „Ich war schon vor dem Spiel ganz ruhig, denn ich wusste ja, dass wir gewinnen werden“, sagte er. Der Keeper war völlig siegessicher in das erste große Endspiel seiner Karriere gegangen. Wolff gewann auch das direkte Duell gegen sein Vorbild Arpad Sterbik, der zwar ebenfalls gut gehalten hatte, aber an die Aura, die Wolff versprühte, nicht heranreichte.

Dagur Sigurdsson wagte deshalb einen Vergleich mit dem spanischen Weltklasse-Keeper. „Arpad Sterbik hat zehn Jahre das Torwartspiel dominiert. Vielleicht haben wir jetzt ja unseren eigenen Sterbik“, sagte der Bundestrainer über Wolff. Dieser hörte diesen Satz nicht, aber er hätte sich bestimmt an dem Wort „vielleicht“ gestört. Denn der Keeper der HSG Wetzlar kennt keinen Zweifel. Auch aus diesem Grund wechselt er im Sommer zum THW Kiel. Beim größten deutschen Club muss er sich mit dem Dänen Niklas Landin messen, dem eigentlich das Attribut anheftet, das Torwartspiel der Zukunft prägen zu können. Viele Experten glauben allerdings nicht erst seit dem Final-Auftritt von Wolff, dass Landin das Duell verlieren wird. Denn der Däne hat zwar großes Talent, aber ihm fehlt der absolute Wille, der Beste werden zu wollen. Wolff hat dieses Ziel, er ist ein Mentalitätsmonster.

Und er ist noch lange nicht satt. Wolff hielt die Schale nach dem EM-Gewinn noch im Arm, als er bereits den Ausblick in die Zukunft wagte: „Es gibt noch die Möglichkeit einer Steigerung. Wir können den WM-Titel und Olympia-Gold gewinnen.“ Er sagte das mit einer Selbstverständlichkeit, die den Gegnern Angst machen sollte. Ein Gefühl, das er selbst nicht kennt. „Schwierig wird es, wenn der Vollmond verschwindet“, schrieb ein User bei Twitter, „und Wolff sich wieder in einen Menschen zurückverwandeln muss.“ Doch er wird auch das hinbekommen. Ganz selbstverständlich.