Am Karlsplatz in Stuttgart halten Demonstranten ein Banner. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Bei einer Demonstration in der Stuttgarter Innenstadt erinnern mehrere hundert Menschen an die Opfer von Hanau und setzen ein Zeichen gegen Rassismus. Am Abend erleuchtet eine Lichtprojektion das Alte Schloss.

Stuttgart - Am Samstagmittag haben in Stuttgart mehr als 500 Menschen der Todesopfer des Hanau-Anschlags gedacht und zum Kampf gegen rechte Gewalt aufgerufen. Ein 43-Jähriger Deutscher tötete am 19. Februar 2020 in Hanau neun Menschen aus rassistischen Motiven. Seine Tat löst nach wie vor großes Entsetzen aus. Bundesweit haben daher am Samstag Gedenkaktionen stattgefunden.

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In Stuttgart riefen im Vorfeld verschiedene Gruppierungen zu einer gemeinsamen Aktion auf, darunter „0711 United“, das „Antifaschistische Aktionsbündnis Stuttgart und Region“ oder „Linksjugend solid“. Die Demonstrierenden zogen vom Oberen Schlossgarten zum Marienplatz, wo die Abschlusskundgebung mit Blumen und Kerzen stattfand. Die Veranstaltung verlief friedlich.

„Aus Trauer entsteht Wut“

Zu Beginn erinnerten die Teilnehmenden mit einer Schweigeminute an die Todesopfer, deren Schwarz-Weiß-Porträts unweit des Versammlungsorts an einer Wand klebten. Darunter auch das Porträt des Asylbewerbers Oury Jalloh, der 2005 unter bisher ungeklärten Umständen in einer Polizeizelle zu Tode kam. Die Demonstrierenden wollen nämlich nicht nur an die Opfer von Hanau erinnern.

„Wir gedenken allen, die aus rechtsextremistischen Motiven ermordet wurden“, sagt Zou, Sprecherin der Gruppierung „0711 United“. „Aus Trauer entsteht Wut“, sagt die 22-Jährige, die ihren vollen Namen nicht nennen will. Ihre Mitstreiter und sie setzen sich für eine Welt ohne Rassismus ein – jedoch ohne Gewalt. Regelmäßig organisieren sie Aktionen, die sie auch in den sozialen Medien dokumentieren.

Am dringendsten stellt sich den Veranstaltern die Frage, warum der Täter trotz belegter psychischer Auffälligkeiten legal Waffen besaß. Seine kranke Psyche dürfe jedoch auf keinen Fall die rechte Ideologie verharmlosen, die er vertrat und wegen der er neun unschuldige Menschen tötete.

Nicht nur Mitglieder politischer Gruppierungen anwesend

Dass ihrem Aufruf nicht nur Mitglieder politischer Gruppierungen gefolgt sind, wird am Samstagmittag ebenfalls deutlich. Die 17-jährige Hevin ist mit ihrer Mutter zur Demo gekommen, weil das Thema ihr sehr nah geht. „Der Kampf gegen Rassismus ist wegen Corona leider in den Hintergrund gerückt“, sagt die Schülerin. Darum findet sie es gut, öffentlich an die Opfer zu erinnern.

Ein weiterer Teilnehmer, der keiner Gruppe angehört, war schon bei der ersten Demo nach dem Anschlag in Hanau dabei. Der 30-Jährige aus Kurdistan hat selbst schon einige rassistische Erfahrungen gemacht und möchte mit seiner Teilnahme auf die Gefahr rechten Terrors aufmerksam machen.

Damit dieser keinen Platz in der Gesellschaft findet, rufen die Demonstrierenden am Samstag ihre Parolen in die Innenstadt: „Halle, Hanau, rassistischer Mord. Widerstand an jedem Ort.“

Am Alten Schloss wurde am Abend eine Lichtprojektion von den Porträts der neun Opfer der rassistischen Morde gezeigt. Ursprünglich sollte die Projektion am Rathaus gezeigt werden, was von der Verwaltung aber abgelehnt wurde.