Zur Turniereröffnung blieben die meisten Sitzplätze am Rothenbaum leer. Foto: Getty

Der Hamburger Rothenbaum gehört zu den geschichtsträchtigsten Anlagen im Tenniszirkus. Und doch hat das ATP-Turnier mit großen Problemen und Zukunftssorgen zu kämpfen – trotz des kurzfristigen Starts von Alexander Zverev.

Hamburg - Ausverkaufter Centre Court am Hamburger Rothenbaum, fast 10 000 begeisterte Fans feiern die beiden besten Deutschen und zuhause schauen Millionen live vor den Fernsehgeräten zu. Es herrscht Gänsehautatmosphäre. Der Rothenbaum, der aus Tennisfan-Sicht vielleicht geschichtsträchtigste Ort der Bundesrepublik, er ist wieder wer.

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Ausverkauft? Gänsehautatmosphäre? Diese Szenen sind keine Fiktion – allerdings spielten sie sich vor drei Wochen bei der Beachvolleyball-WM im Tennisstadion ab, und nicht beim alljährlichen ATP-Turnier, das mittlerweile Hamburg European Open heißt. Wer diese Woche auf die Tribünen im Tennisstadion achtet, schaut zumeist in eine große Leere. Nicht einmal zur Hälfte ist der Centre Court am Dienstag gefüllt, obwohl bei bestem Tenniswetter in Dominic Thiem ein absoluter Weltklassespieler um den Einzug in die zweite Runde spielt. Nur, in Hamburg scheint das fast keinen zu interessieren. Erst als Alexander Zverev anschließend gegen Nicolás Jarry gewinnt, füllt sich das riesige Tennisstadion allmählich.

Ganze Generationen kennen den Rothenbaum

Dabei gehört der Rothenbaum zu den geschichtsträchtigsten Sportanlagen in Deutschland. Tennisfans auf der ganzen Welt kennen das Tennisstadion westlich der Außenalster. Ganze Generationen saßen vor den TV-Geräten, um sich die Matches der Beckers, Grafs, Federers oder Nadals anzuschauen. Große Triumphe wie der Sieg von Michael Stich über Boris Becker 1992, noch größere Tragödien wie das Messerattentat auf Monica Seles 1993 – jeder Tennisfan hat seine ganz eigene Erinnerung an das Rothenbaum-Turnier.

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Vom einstigen Glanz des wichtigsten deutschen Tennisevents ist heute nur noch wenig übrig. Terminlich inmitten der Hartplatzsaison in den USA gelegen, die Herabstufung vom Masters- auf den 500er-Status, quälend lange Suchen nach einem Hauptsponsor. Seit Jahren macht das Turnier Negativschlagzeilen, zwischenzeitlich stand gar ein Verkauf der Turnierlizenz ins zahlungskräftige das Ausland zur Debatte.

Stich scheiterte als Turnierdirektor

Zuletzt hatte sich der einstige Wimbledon-Champion Michael Stich daran versucht, den Glanz am Rothenbaum wiederzubeleben – und scheiterte in seinen zehn Jahren als Turnierdirektor mehr oder weniger kläglich. Schlussendlich war der Zwist zwischen dem Ex-Profi und dem Deutschen Tennis-Bund, der seine Verwaltung immer noch am Rothenbaum hat und dem die Turnierlizenz gehört, nicht mehr zu kitten.

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Nun schickt sich Sandra Reichel als Turnierdirektorin an, dem einstigen Leuchtturm der deutschen Tennislandschaft wieder zu mehr Popularität zu verhelfen. Die Österreicherin ist keine Unbekannte in der Tennisbranche. Die 47-Jährige fungiert bei den WTA-Turnieren im Österreichischen Linz (seit 2000) und in Nürnberg (seit 2013) als Turnierdirektorin, früher war sie zudem für die Frauen-Turniere in Bad Gastein, Wien und Barcelona zuständig. Nun also Hamburg, wo die Stars seit Jahren einen Bogen um das Turnier machen.

Zverev, Thiem und Fognini – Weltklasse am Start

Dass in dieser Woche Dominic Thiem und der amtierende deutsche ATP-Weltmeister Alexander Zverev aufschlagen, bezeichnt Reichel als „Geschenk“ und betont: „Ein so starkes Feld hat es hier lange nicht mehr gegeben.“ Neben Zverev und Thiem schlägt auch der italienische Sandplatzspezialist Fabio Fognini in der Hansestadt auf – drei Top-zehn-Spieler. Das gab es in der Tat seit vielen Jahren nicht mehr.

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Also alles gut und nur eine Frage der Zeit, bis sich neben den Stars auch wieder die Hamburger für Tennis am Rothenbaum interessieren? Weit gefehlt. Zwar dürfte Sand-Liebhaber Fognini auch für die kommenden Jahre ein Kandidat für das Hauptfeld in Hamburg sein – Zverev 2020 erneut zu erwarten, wäre vermutlich naiv, trotz anderweitiger Aussagen des Stars (Anm. der Redaktion: Hier war ursprünglich auch von Dominic Thiem die Rede – wir bitten den Fehler zu entschuldigen. Der Österreicher hat einen Vertrag für 2020 unterschrieben). Zverev befindet sich seit Wochen in einem Formtief und will in der „Wohlfühlatmosphäre“ langsam zu seiner Form finden. Kommende Saison dürfte er Ansprüche haben und im Vorfeld der US Open wieder auf den Hartcourts in den USA aufschlagen – auch wenn sich das Hamburger Preisgeld von 1,86 Millionen Euro durchaus sehen lassen kann.

Belagwechsel wie auf dem Killesberg?

Wäre eine Umstellung des Belages – ähnlich dem Vorgehen beim Stuttgarter Mercedes-Cup – eine Lösung für das Turnier? „Ein schwieriges Thema“, bremst Reichel, die im Vorfeld der US Open natürlich lieber auf Hartplätzen als auf Sand spielen lassen würde. Der DTB, die Stadt, der Club an der Alster (dem die Rothenbaum-Anlage gehört) und vor allem die ATP – alle haben dabei ein Wörtchen mitzureden. „Einfach den Belag oder Termin zu wechseln, geht jedenfalls nicht. Wenn man etwas ändern will, klappt das nur mit dem Segen der ATP“, so Reichel.

Zukunft außerhalb Hamburgs?

Nach ihrer Premiere werden sich Reichel und die Projektpartner zusammen setzen. Für fünf Jahre hat sie die Turnierlizenz vom DTB übertragen bekommen. Wäre also auch ein Umzug denkbar? „Wir wollen das Turnier hier unbedingt halten“, sagt Reichel und schickt noch eine Mahnung hinterher: „Es muss allerdings auch finanzierbar sein. Dafür brauchen wir die Unterstützung starker Partner in Hamburg.“ Hierbei dürfen sich auch jene Fans und Sponsoren angesprochen fühlen, die bei der Beachvolleyball-WM eine große Party am Rothenbaum gefeiert haben.

In unserer Bildergalerie haben wir Ihnen einige der wichtigsten Momente der Tennis-Geschichte am Hamburger Rothenbaum zusammengestellt. Viel Spaß beim Klicken!