Ein Hamburger Koch steht vor Gericht, weil er seinen Schutzgelderpresser getötet und anschließend die Leiche im Restaurant einbetoniert haben soll. Foto: dpa

Nichts ahnend speisen die Gäste in einem Restaurant am Hamburger Hauptbahnhof. Dann findet die Polizei unter dem Fußboden eine Leiche. Hintergrund der Tat ist eine Schutzgelderpressung, und der Täter kann im Prozess auf einige Sympathien zählen.

Hamburg - Mehr als zwei Jahre lang bekommt ein Gastwirt in Hamburg Besuch von einem Schutzgelderpresser. Widerwillig zahlt der Koch, monatlich mindestens 1000 Euro. Am 30. September vergangenen Jahres eskaliert die Situation. Der 49 Jahre alte Erpresser kommt am späten Abend und legt eine Pistole auf den Tisch. „Wenn du nicht zahlst, geht einer von uns beiden drauf“, habe er ihm grinsend gedroht, erklärt der 52 Jahre alte Koch am Mittwoch vor dem Hamburger Landgericht. Am Ende war der 49-Jährige tot.

Machenschaften von Erpressern

Der Fall gibt einen Einblick in die Machenschaften von Schutzgelderpressern, die unter Androhung von Gewalt Geld verlangen. Nur wenige Fälle werden publik. Der Koch erzählt nun vor Gericht, wie er sich die Waffe gegriffen und abgedrückt habe. Die Leiche des 49-Jährigen habe er in eine Grube im Nebenraum gezogen und mit Baumaterial zugedeckt. Sieben Wochen später findet die Polizei die Leiche.

Der Koch - weißes Hemd, dunkles Jackett, gepflegte, leicht ergraute Haare und modische Brille - ist wegen Totschlags angeklagt. Die Staatsanwaltschaft stellt den Ablauf ganz ähnlich wie der Angeklagte in seinem Geständnis dar. Demnach sei der Koch in Rage geraten, als der 49-Jährige die beiden Töchter ins Spiel gebracht habe. Die halfen im Sommer manchmal beim Bedienen auf der Terrasse des Restaurants. Ansonsten kochte und bediente der Wirt selbst.

Wenn er nicht genug Geld habe, könnten doch die Töchter „arbeiten“ gehen, habe der 49-Jährige gesagt. Damit sei gemeint gewesen, er solle sie auf den Strich schicken, erklärt der Angeklagte. Wütend über diesen Vorschlag habe er den Tisch umgeworfen. Bei dem Gerangel habe er die Pistole zu fassen gekriegt und den Schuss abgegeben. Der 49-Jährige starb kurz darauf an einer Halsverletzung.

Restaurant lief gut

Bis zu dem Tag sei das Restaurant in der Nähe des Hauptbahnhofs gut gelaufen. Viele Schauspieler, Polizisten, Ärzte und Rechtsanwälte seien unter den Gästen gewesen. Um die Abrechnungen habe sich seine Lebensgefährtin gekümmert, bei der er formal angestellt gewesen sei, erklärt der Koch. 2012 sei der Erpresser das erste Mal gekommen, quasi als Freund. „Er war ein Schwätzer, der sich nicht abwimmeln ließ“, sagt der Angeklagte in der von seinem Verteidiger verlesenen Erklärung.

Mitte 2013 ging es erstmals um Geld. Der Koch hatte einem anderen Gastronomen 1500 Euro geliehen - und nicht zurückbekommen. Eines Tages habe sich der Gastronom beschwert, dass über ihn schlecht geredet werde. Weil sein Name beschmutzt worden sei, habe er 5000 Euro verlangt. Der Erpresser habe sich als Beschützer dargestellt, dann aber die Geldforderung durchgesetzt. Von da an musste der Koch zahlen, insgesamt mindestens 25 000 Euro. Wenn er sich weigerte, gab es Probleme. Männer bepöbelten die Gäste auf der Terrasse, oder es wurden Scheiben eingeschlagen.

Warum sei der Angeklagte nicht einfach zur Polizei gegangen, will das Gericht wissen. Er habe Angst vor dem Erpresser gehabt, der immer wieder freigesprochen worden sei, weil Zeugen sich angeblich nicht erinnern konnten. Auch nach der Tat habe er überlegt, zur Polizei zu gehen, sagt der Koch. Doch: „Die Tür der Wache war verschlossen.“

Pistole in der Elbe

Er warf die Pistole demnach in die Elbe, ging zurück ins Lokal und ließ die Leiche in der Grube verschwinden, in der eigentlich ein Fettabscheider installiert werden sollte. Zur Tarnung verlegte er im gesamten Lokal einen neuen Fußboden. Er fuhr in den Urlaub und zwang sich danach, seine Arbeit wie gewohnt weiterzumachen. „Mir ging es sehr schlecht“, bekennt er.

Am 18. November suchte die Polizei nach dem vermissten 49-Jährigen in dem Restaurant, wo er zuletzt gesehen worden war. Ein Leichenspürhund schlug an. Der Ermittler ließen den Boden aufreißen und nahmen den Wirt fest. Nach mehreren Monaten in Untersuchungshaft ist er inzwischen wieder auf freiem Fuß.

Im Gerichtssaal hat der 52-Jährige offenbar viele Sympathien auf seiner Seite. Er sei nicht vorbestraft, stellt der Vorsitzende Richter Joachim Bülter fest. Das Opfer habe dagegen 15 Eintragungen im Bundeszentralregister gehabt, viele Drogenstraftaten, Verstöße gegen das Aufenthaltsrecht und eine Verurteilung wegen versuchter Nötigung.

Nett und sympathisch

Bülter verliest auch die Vorstrafen desjenigen Gastronomen, durch dessen Forderung die Erpressung in Gang kam. Dieser wurde fünfmal rechtskräftig verurteilt, einmal wegen Körperverletzung mit Todesfolge. „Ich hatte die Freude, bei dem Verfahren den Vorsitz zu führen“, sagt Bülter. „Ich war nicht begeistert.“

Eine ältere Zuschauerin, die einmal im Lokal des Angeklagten zu Gast war, sagt vor dem Gerichtssaal über ihn: „Er war nur nett und sympathisch.“ Und die Publizistin Peggy Parnass (81) meint: „Hoffentlich wird er freigesprochen und kocht wieder.“ Die Tat müsse als Notwehr gesehen werden. Die ehemalige Gerichtsreporterin wohnt in der Nähe des Restaurants, viele ihrer Freunde sind dort Gäste gewesen.