"Mindestens haltbar bis..." wird auch künftig auf Lebensmittel stehen, obwohl der Begriff verwirrt.
Stuttgart - "Mindestens haltbar bis..." - dieser Ausdruck wird auch künftig auf abgepackten Lebensmitteln stehen. Verbraucherministerin Aigner will erst klären lassen, ob die Kennzeichnung tatsächlich dazu führt, dass Lebensmittel im Müll landen, die noch essbar sind. Das bezweifeln auch Verbraucherschützer.
20 Millionen Tonnen, 500.000 Lastwagen voll, mehr als die Hälfte unserer Lebensmittel: alles für den Müll, und zwar in noch essbarem Zustand. Mit Zahlen wie diesen haben die Dokumentarfilmer und Buchautoren Stefan Kreutzberger und Valentin Thurn in den letzten Wochen in Deutschland eine Debatte um den Umgang mit Lebensmitteln ausgelöst, die auch an den Politikern nicht vorbeigegangen ist.
Im Ernährungsausschuss des Bundestags wird am Mittwoch darüber diskutiert, inwiefern das Mindesthaltbarkeitsdatum schuld ist an dieser Verschwendung. Denn noch immer gibt es Verbraucher, die das Mindesthaltbarkeitsdatum mit dem Verfallsdatum gleichsetzen und Lebensmittel in den Müll werfen, die noch vollkommen genießbar sind. Mitglieder des Gremiums wie der Vorsitzende Hans-Michael Goldmann von der FDP brachten die letzten Wochen Alternativen wie "am besten vor dem..." (angelehnt an die englische Variante "best before") oder "beste Qualität bis..." ins Gespräch, die den Verbraucher weniger verwirren sollen als das Mindesthaltbarkeitsdatum.
Verbraucher verstehen die bisherige Kennzeichnung
Christiane Manthey von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hält nichts von diesen Vorschlägen. "Ich empfinde sie als noch widersprüchlicher. Und nach unseren Erfahrungen kommt der Verbraucher auch gut mit der bisherigen Kennzeichnung zurecht. ,Mindestens haltbar bis...' ist doch eine klare Aussage."
Der Meinung ist auch Verbraucherministerin Ilse Aigner, die noch vor der Diskussion im Ernährungsausschuss verkünden ließ: "Änderungen oder eine Abschaffung des Mindesthaltbarkeitsdatums stehen für uns nicht zur Diskussion." Man wolle zunächst die Ergebnisse der nationalen Wegwerfstudie abwarten, die das Verbraucherministerium bei Wissenschaftlern in Auftrag gegeben hat. Die Studie soll Anfang 2012 belastbare Zahlen bringen, wie viele Lebensmittel in Deutschland tatsächlich im Müll landen, ob dies an den Bauern, Supermarktbetreibern oder den Verbrauchern liegt und aus welchen Gründen Essbares für die Tonne produziert wird. Erst dann sei es sinnvoll, über eine Änderung des Mindesthaltbarkeitsdatums nachzudenken.
Im Müll landen vor allem Lebensmittel ohne Haltbarkeitsdatum
Ernährungsexpertin Manthey zweifelt noch aus einem anderen Grund am Nutzen einer veränderten Kennzeichnung. "Mit dem Datum allein bekämpft man keine Lebensmittelverschwendung. Zumal Brot, Obst und Gemüse ja gar kein solches Datum haben." Genau bei diesen Lebensmitteln aber prangert Dokumentarfilmer Thurn die Verschwendung besonders an: Jeder zweite Kopfsalat, jede zweite Kartoffel und jedes fünfte Brot, so hat er recherchiert, landet auf dem Weg vom Acker in den Laden auf dem Müll, ohne je den Esstisch zu erreichen.
"In der gesamten Kette, also vom Bauern über die Lebensmittelhersteller bis hin zu den Verbrauchern, haben wir in Deutschland das Problem, dass die Masse im Vordergrund steht und nicht die Qualität der Produkte", sagt Ernährungswissenschaftler Guido Ritter von der Fachhochschule Münster. Statt das Mindesthaltbarkeitsdatum zu ändern, plädiert er dafür, die Wertschätzung von Lebensmitteln wieder stärker im Bewusstsein vor allem der Konsumenten zu verankern. "Auch wenn wir in einer Überflussgesellschaft leben, muss man sich vor dem Einkauf überlegen: Was brauche ich überhaupt, was liegt noch zu Hause im Kühlschrank? Und statt die Großpackung zu kaufen, geht man lieber einmal mehr einkaufen."