Schaurige Schönheiten kommen zum Día-de-los-Muertos. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Am Vorabend von Allerheiligen kennt der Spaß mit dem Schrecken kaum Grenzen. Wo der Spaß aber aufhört, das muss den Beteiligten klar sein. Denn auch Erschrecken kann juristische Folgen haben.

Stuttgart - Mit der üblen Masche der Gruselclowns ist in diesem Jahr zu Halloween eine Frage aufgekommen, die sich in den Jahren zuvor nicht gestellt hatte: Dürfen die das, Leute erschrecken? Nicht erst, wenn die Clowns gewalttätig werden, ist für viele Zeitgenossen eine Grenze überschritten. In Stuttgart geht die Angst auch schon um, obwohl hier erst eine Gruselclownfratze in Möhringen gesichtet wurde. Der Träger zog sich auch zurück, ohne jemandem etwas anzutun.

Erlaubt ist, was gefällt: Das Nervenkostüm anderer ist kein Argument gegen Gruselmasken

Grundsätzlich gilt beim Verkleiden, dass erlaubt ist, was gefällt. Wenn andere davor Angst haben, ist das noch kein Anlass, die Gruselfreunde in der Wahl ihrer Kostüme einzuschränken – ob an Halloween, beim Fasching oder wie eben jetzt im Herbst mit den Gruselclownmasken. Strafbar macht sich, wer jedoch die Gruselverkleidung dazu ausnutzt, andere zu bedrohen. Dabei reicht es noch nicht aus, dass jemand „Bu!“ ruft. „Strafbar wird es, wenn jemand mit der Gefahr für Leib und Leben droht, und zwar mit einem Verbrechen“, sagt Jan Holzner, der Sprecher der Staatsanwaltschaft Stuttgart. Dazu zählen die Straftaten Totschlag und schwere Körperverletzung. Wann die Bedrohung justiziabel wird, das entscheidet sich im Einzelfall. So könne sich jemand, vor dem ein Clown einen großen Hammer schwingt und zum Schlag ausholt, zurecht bedroht fühlen. Aber auch ohne Waffe aus dem handelsüblichen Werkzeugrepertoire von Hammer bis Kettensäge könne es strafbar werden, jemanden zu sehr zu erschrecken. „Wenn in Kauf genommen oder gar beabsichtigt wird, jemanden so sehr zu erschrecken, dass er sich verletzt, kann das als vorsätzliche Körperverletzung gewertet werden“, so der Sprecher der Ermittlungsbehörde. Wenn es nicht beabsichtigt sei, aber jemand dennoch vor lauter Schreck zu Schaden komme, komme eine fahrlässige Körperverletzung in Betracht, sagt der Jurist.

Ob die das dürfen? Diese Frage stellten am zurückliegenden Wochenende bereits viele Eltern, die am helllichten Tage in der Königstraße mit ihren Kindern dem Anblick von zu Zombies geschminkten Zeitgenossen ausgesetzt waren. „Ist das mit dem Jugendschutz vereinbar? Gruselfilme haben schließlich auch eine Altersbeschränkung“, gab eine Mutter zu bedenken.

Der Jugendschutz bietet keine Handhabe gegen den Auftritt von Zombies

Die rechtliche Lage ist im Fall der Leute, die Gefallen daran finden, sich als leicht angegammelte Ex-Leichen, sogenannte Untote, zu schminken, klar zu beantworten: Sie dürfen das. Streng genommen müssen sie sich noch nicht mal bei der Stadt anmelden. Die Veranstalter haben das im vorliegenden Fall aber getan, sagt Stefan Praegert, der Leiter der Versammlungsbehörde. Die Macher wüssten inzwischen, dass ihr Erscheinen Aufsehen errege, und sagten Bescheid, falls jemand bei der Stadt oder der Polizei nachfragen würde. Eine Versammlung sei der Spaziergang der Zombies nicht, da sie keine politische Botschaft hätten. Dann erst greife das Versammlungsrecht, sagt Praegert. Aus Jugendschutzgründen gebe es nichts gegen den Zombie-Walk einzuwenden. Es drehe sich nicht um die Darstellung von Gewaltszenen oder sexuellen Handlungen. Davor wäre die Jugend zu schützen.

Was aber sollen Eltern tun, wenn sie Angst haben, dass Ihr Kind sich zu sehr erschreckt? Noch habe es in den Beratungsstellen des Jugendamts keine entsprechenden Anfragen gegeben. Das könne aber daran liegen, dass sich in Stuttgart noch keine Zwischenfälle mit Gruselclowns ereignet haben. „Ich bleibe mit meinem Kind daheim und es kriegt Süßigkeiten von mir statt von den Nachbarn“, meint die Mutter einer Achtjährigen. Das sei nicht unbedingt die beste Idee, meint der stellvertretende Leiter des Jugendamts, Heinrich Korn. „Es ist auf Dauer keine Lösung, sich nicht mit der Realität auseinanderzusetzen“, sagt er.

Besser sei es, Kindern das Geschehen transparent zu machen und zu erklären, dass unter jeder Maske nur ein Mensch oder ein anderes Kind steckt. „Das Thema ist nicht die reale Bedrohung, sondern der Umgang damit“, sagt Korn. Ein Silvesterabend, wenn Böller kreuz und quer fliegen, sei auch gefährlich, aber man habe weniger Angst davor als vor dem aus Amerika kommenden Spuk der Gruselclowns.