Im Land Baden-Württemberg bietet etwa jede vierte Grundschule keinen Schwimmunterricht mehr an – das hat vor allem zwei Gründe. Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Familien in Stuttgart-Sonnenberg sind sauer. Trainings ihrer Kinder fallen aus, weil die Schwimmlehrer offenbar keine Erlaubnis für die Bäder hatten. Nun wird härter durchgegriffen. Ein Einzelfall auf den Fildern?

Filder - Wasser gab es, aber nur in Form von Kindertränen. Zwei Mütter aus Sonnenberg wollten jüngst mit ihren Töchtern nach der Sommerpause zum Schwimmkurs – und wurden weggeschickt. Das private Training, das sie gebucht hatten, darf im dortigen Hallenbad nicht mehr stattfinden.

Stattdessen wurden die 40 und 44 Jahre alten Frauen, die ihre Namen nicht in der Zeitung lesen wollen, auf die Badeordnung aufmerksam gemacht, die frisch seit dem 1. Juni aushängt. „Die Erteilung von professionellem (auch nicht gewerblichem) Schwimmunterricht, Training oder Animation ist nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung des Betreibers gestattet. Die Einschätzung, ob einer der vorstehenden, genehmigungspflichtigen Sachverhalte vorliegt, trifft der Betreiber“, steht dort.

Die Frauen sind perplex. Ihre älteren Kinder hätten alle in Sonnenberg bei der examinierten Sportlehrerin schwimmen gelernt. Aus gutem Grund. „Für Kinder ist Wasser das gefährlichste Medium“, sagt die Jüngere. „Da frage ich mich doch, wer hat diesen Passus durchgewunken, wo doch jeder weiß, dass es zu viele Nichtschwimmer in unseren Schulen gibt?“

60 Prozent der Zehnjährigen können nicht sicher schwimmen

Die DLRG hat bereits im Jahr 2017 Alarm geschlagen, dass rund 60 Prozent der Zehnjährigen im Wasser unsicher seien. Tatsächlich bietet im Land etwa jede vierte Grundschule keinen Schwimmunterricht an, weil es kein Bad oder kein Personal gibt, das wurde jüngst im Bildungsausschuss des Landtags bekannt. Weitere Erkenntnis der Anhörung: Kinder müssten bei Vereinen monatelang auf Kursplätze warten.

Neu ist das Sonnenberger Verbot indes nicht. „Bereits im Jahr 1998 war in der Badeordnung geregelt, dass eine Erteilung von privaten Schwimmkursen in den städtischen Mineral-, Hallen-, und Freibädern der Zustimmung des Betreibers bedarf“, stellt Jens Böhm, ein Sprecher der Stuttgarter Bäderbetriebe, klar. In der neuen Badeordnung sei der Text lediglich modifiziert worden, zudem habe man die Angestellten instruiert.

Die Stadt Stuttgart hat bisher noch keine Genehmigungen erteilt

Drittnutzer müssten eben Gebühren zahlen. „Das gilt für Vereine genauso wie für öffentliche Schulen. Und ebenso für private Anbieter. Diese müssen dann im Zuge der Erlaubnis einen Vertrag unterschreiben.“ Unter anderem müsse der Nachweis der Rettungsfähigkeit und der Ersten Hilfe erbracht werden. Bis dato habe sich nur eine Handvoll Trainer zwecks Erlaubnis gemeldet. „Bisher wurden von uns noch keine Genehmigungen erteilt, da der Vertrag momentan noch einer rechtlichen Prüfung unterzogen wird“, sagt Jens Böhm.

Betroffen sind grundsätzlich alle städtischen Bäder. „Wir können nicht genau sagen, wo überall private Schwimmkurse stattfanden“, sagt Jens Böhm. In Sonnenberg ist zu hören, dass etwa zehn private Trainer tätig gewesen sein sollen. Zwar gibt es durchaus städtische Angebote, die zwei Mütter legen indes Wert auf Spezialunterricht. Er finde in kleineren Gruppen und länger als nur 45 Minuten statt, außerdem seien städtische Kurse mit starren Altersvorgaben belegt. „Wir sind sehr verärgert“, sagt die 44-Jährige, und die Freunde aus der Nachbarschaft seien es auch, „die sind alle platt“. Jens Böhm bestätigt, dass schriftliche Beschwerden vorliegen, wenn auch nur wenige.

In Filderstadt und Leinfelden-Echterdingen gelten ähnliche Regeln

Eine Stuttgarter Spezialität ist die Regel nicht. In Filderstadt gilt sie auch – in Anlehnung an die Musterordnung der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen, erklärt Jan Meier, der Filderstadtwerke-Chef. Das heißt nicht, dass Schwimmschulen oder Vereine keine Kurse anbieten. Im Gegenteil. Gerade die kleinen Bäder in Sielmingen, Harthausen und Plattenhardt würden rege zu Zeiten angemietet, in denen kein Badebetrieb ist, so Jan Meier, „die kleinen Bäder sind prädestiniert zum Lernen ohne Trubel“. Zudem biete man etwa 30 eigene Kurse an. Ähnliches berichtet Gisela Fechner als Sprecherin für die Stadt Leinfelden-Echterdingen. Private Kurse sind erlaubt, sogar drei Schwimmmeister bieten sie außerhalb ihrer Arbeitszeit an – aber nur mit Genehmigung. „Man bezahlt an die Stadt und muss ganz normal versteuern“, erklärt sie.

In Stuttgart wurde jedenfalls in puncto Schwimmtraining aufgerüstet. „Neben dem Kursangebot der Bäderbetriebe Stuttgart wurde in diesem Jahr das Angebot über die städtische Initiative Schwimmfit weiter ausgebaut, um den hohen Bedarf zu decken“, sagt Jens Böhm.

Ob sich die beiden Sonnenberger Mütter darauf verlassen wollen? Die 40-Jährige jedenfalls berichtet: „Eine Freundin von mir wartet bereits seit zwei Jahren auf einen städtischen Silber-Kurs für ihren Sohn.