Der Schwimmtempel F3 in Fellbach ist ein Beispiel für den Trend zum Erlebnisbad. Foto: privat

Hallenbäder und Lehrschwimmbecken sind für viele Kommunen in der Region mittlerweile ein Luxus, den sie sich nicht mehr leisten können. Die DLRG sieht darin eine Gefahr für die Schwimmausbildung.

Region Stuttgart - Seit dem 29. April sitzt Asperg auf dem Trockenen – zumindest, was das Schwimmen im örtlichen Hallenbad angeht. Die Stadt hat es wie in jedem Jahr zur Eröffnung des Freibads geschlossen. Der Unterschied in diesem Jahr ist nur: Das Bad soll nie wieder aufmachen. Nach den Plänen der Kommune soll das marode Gebäude abgerissen, der Bauplatz verkauft und mit diesem Erlös der Bau einer neuen Sporthalle mitfinanziert werden. Deren Kosten: 6,5 Millionen Euro.

Der Asperger Schwimmverein, die örtliche DLRG-Gruppe sowie die Schulen stehen vom kommenden Herbst an vor dem Problem, dass in Asperg kein Schwimmunterricht, kein Anfängerschwimmkurs sowie keine Rettungsschwimmerausbildung mehr stattfinden kann. Zudem senke der Wegfall des Bads die Lebensqualität in der Stadt, heißt es in einer Stellungnahme der Bürgerinitiative „Rettet das Bädle“. Ein Bürgerbegehren wurde vom Gemeinderat als unzulässig abgelehnt. „Der Kampf um unser Bädle ist noch nicht ausgekämpft“, gibt sich der TSV Asperg in einer Stellungnahme kämpferisch.

Asperg, Schwieberdingen, Markgröningen: marode Bäder allerorten

Asperg ist das jüngste Beispiel einer Entwicklung, die in vielen Kommunen zu beobachten ist: Die oftmals in die Jahre gekommenen Hallenbäder müssen dringend saniert werden, aber vielen Städten und Gemeinden fehlt dafür einfach das Geld. So saniert Aspergs Nachbarkommune Markgröningen, um deren Finanzen es auch nicht gerade rosig steht, derzeit für 180 000 Euro ihr Hallenbad. Dabei handelt es sich um eine Notnagel-Sanierung, die verhindern soll, dass das Gesundheitsamt das Bad wegen hygienischer Mängel, beispielsweise Keimen im Warmwasserbereiter, dicht macht. „Mittelfristig müssen wir uns da aber noch Gedanken machen“, sagt der Stadtbaumeister Klaus Schütze.

In Schwieberdingen wiederum ist das Hallenbad bereits seit Ende 2010 geschlossen. Die Folgen sind laut Alfred Selker, Sprecher der Interessengemeinschaft „Pro Hallenbad“ und Mitglied im örtlichen Schwimmverein: Die Mitgliederzahl des Vereins ist von knapp 350 auf 100 gefallen, und die Markgröninger Schüler hatten fünf Jahre lang keinen Schwimmunterricht. Erst seit zwei Jahren gibt es eine Kooperation mit den Schulen und dem Bad in Korntal-Münchingen.

Ein Schwimmbad gehört nicht zu den Pflichtaufgaben der Kommunen

Ursprünglich war der Plan, das Bad binnen zwei Jahren zu sanieren. Als die geschätzten Kosten dafür stiegen, kam ein Neubau ins Gespräch. Kosten: 9,2 Millionen Euro. Als dann aber von Bosch weniger Gewerbesteuer floss, stoppte der Gemeinderat das Projekt. Nach den derzeitigen Plänen soll das Bad abgerissen und stattdessen eine Sporthalle gebaut werden. Die Interessengemeinschaft hat jüngst eine Liste mit mehr als 3200 Unterschriften bei der Verwaltung abgegeben, um dies zu verhindern.

Auch der Gemeindetag in Baden-Württemberg nimmt die Schließungen wahr, kann jedoch keine Tendenz erkennen. „Keiner wird ein Bad leichtfertig aufgeben“, sagt eine Sprecherin. Ansonsten müssten die Kommunen neue Wege gehen, beispielsweise durch interkommunale Kooperationen oder ehrenamtliche Bademeister. Im Übrigen sei die Bereitstellung einer Schwimmgelegenheit im Ort eine freiwillige Dienstleistung der Kommunen und gehöre nicht zu den Pflichtaufgaben der kommunalen Daseinsvorsorge.

Seit 2007 mussten 102 Bäder dicht machen

Der DLRG-Landesverband sieht das kritischer: In den Jahren von 2007 bis 2016 seien in Baden-Württemberg 102 Bäder geschlossen worden, „darunter auch viele Lehrschwimmbecken“, sagt die Vizepräsidentin Ursula Jung. Vor allem kleinere Kommunen hätten Probleme, da der Unterhalt eines Hallenbads ein großer finanzieller Aufwand ist.

Die Schließungen haben Konsequenzen: Auf einen Schwimmkurs müsse man im Landkreis Ludwigsburg derzeit bis zu eineinhalb Jahre warten, sagt Axel Griesbaum, der Vorsitzende des Trägervereins des Sachsenheimer Freibads. Die DLRG befürchtet zudem, dass sich die von Badschließungen betroffenen Ortsgruppen auflösen. Überdies könne die Kursstatistik auch das Ergebnis einer Umfrage erklären, die Forsa 2010 im Auftrag der DLRG gemacht hat: 50 Prozent der Zehnjährigen in Deutschland können demnach nicht sicher schwimmen.

Trend zum Erlebnisbad

Blickt man über den Kreis Ludwigsburg hinaus, findet man weitere Beispiele für Kommunen, die ihre Bäder schließen mussten. In Plochingen im Landkreis Esslingen wird das marode und asbestverseuchte Hallenbad abgerissen: Die Stadt kann sich die vier Millionen Euro teure Sanierung nicht leisten. Das Cabrio-Bad in Weinstadt im Rems-Murr-Kreis ist bereits seit 2009 trockengelegt und verwildert nun, bis die Bagger zum Abriss anrücken. Das benachbarte Korbwiederum saniert sein marodes Bad für drei Millionen Euro.

Neben der Schließung alter Lehrschwimmbecken sieht Jung von der DLRG einen weiteren Trend, der „besorgniserregend“ sei: Die Umgestaltung von einfachen Hallenbädern in Spaß- und Wellnessbäder. Angebote wie Rutschen oder ein Wellenbad könnten zwar mehr Besucher anlocken, gleichzeitig bestehe die Gefahr, dass das konventionelle Schwimmen dadurch verdrängt werde durch „Planschi, Planschi“, wie es Alfred Selker von „Pro Hallenbad“ Schwieberdingen formuliert.

Konzentrationsprozess der Bäder

Ein Beispiel dafür ist das F3 in Fellbach im Rems-Murr-Kreis. Der 43 Millionen Euro teure Schwimmtempel mit Riesenrutschen, Freibad und großem Saunabereich verzeichnet seit der Eröffnung 2013 steigende Besucherzahlen. Das alte Hallenbad und das Freibad in der Stadt wurden dagegen geschlossen. Nun klagt mancher Badbesucher darüber, dass zum Schwimmen zu wenige Bahnen zur Verfügung stehen. In Schorndorf, ebenfalls Rems-Murr-Kreis, gab es lange, hitzige Debatten im Gemeinderat über den Ausbau des Oskar-Frech-Seebads: Dort soll der Saunabereich erweitert sowie ein neues Lehrschwimmbecken angedockt werden. Im Gegenzug soll ein Schwimmbecken in der Schule des Teilorts Haubersbronn geschlossen werden – zum Unmut der Bewohner.

Ludwigsburg und Kornwestheim blieb dieser Konzentrationsprozess bislang erspart: Die Sparpläne der Stadtwerke, vier Bäder in Kornwestheim und Ludwigsburg zu schließen und stattdessen ein großes Kombi-Erlebnis-Bad zu bauen, wurden in beiden Gemeinderäten abgelehnt.