Die veraltete Hauptwache in Bad Cannstatt wird zur Großbaustelle. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Fehlende Umkleidemöglichkeiten, veraltete Wachen, extreme Platznot: In Stuttgart ist sowohl bei der Berufsfeuerwehr als auch bei der Freiwilligen Feuerwehr ein riesiges Sanierungsprogramm nötig. Die nächsten Schritte stehen fest.

Es herrscht Alarm. Während aus der Hauptfeuerwache in Bad Cannstatt die Einsatzkräfte ausrücken, geht es im Hof um einen Großbrand der anderen Art. Georg Belge zeigt auf die Gebäude. „Wenn man die Tore der Werkstatthallen sieht, erkennt man sofort, dass die heutigen Fahrzeuge da nicht mehr gut reinpassen“, sagt der Amtsleiter der Stuttgarter Branddirektion.

Die Häuser der Wache 3 am Cannstatter Wasen sind zum Teil 85 Jahre alt. Sie stammen aus Zeiten, als noch Pferdewagen im Einsatz waren. Es herrschen Enge und veraltete Zustände. „Der Ruheraum für die Disponenten der benachbarten Leitstelle ist notdürftig in einer alten Werkstatt im Schlauchturm untergebracht“, erzählt Georg Belge.

Er ist Chef von rund 1800 Feuerwehrmännern und -frauen in Stuttgart. 1100 sind Ehrenamtliche in den 24 Abteilungen der Freiwilligen Feuerwehr. Dazu kommen inzwischen etwa 700 Berufsfeuerwehrleute. Ihre Zahl wächst, weil wegen gestiegener Anforderungen über 100 zusätzliche Stellen geschaffen wurden. Das macht die Arbeitsbedingungen  miserabel. Denn alle fünf Wachen der Berufsfeuerwehr sind heillos veraltet und völlig überfüllt.

„Uns geht der Platz aus“, sagt Belge. Er selbst und Teile der Verwaltung sind inzwischen in  einem  Interimsgebäude  an  der Ulmer Straße untergebracht. Weitere Abteilungen sollen im Frühjahr folgen. Bei den fünf Wachen der Berufsfeuerwehr, aber auch vielen Häusern der Freiwilligen Feuerwehr herrscht gigantischer Investitionsbedarf. Zählt man alle aktuellen und künftigen Projekte zusammen, dürfte man auf eine Summe von mindestens einer halben Milliarde Euro kommen. Gutachten stützen die Dringlichkeit der Maßnahmen.

Nun ist es so, dass manches bereits vor Jahren eingeleitet worden ist. „Wir sind der Kommunalpolitik sehr dankbar, dass die im Grundsatz beschlossene Bauoffensive bisher auch kontinuierlich umgesetzt wird“, sagt Belge. Allerdings handle es sich „um große Projekte, die sich über Jahre ziehen“. Manche sind dabei schon sehr konkret, andere noch nicht. Ein Überblick. 

Berufsfeuerwehr

Alle fünf Wachen der Berufsfeuerwehr müssen neu gebaut oder saniert werden. Am weitesten ist man auf den Fildern. Die Wache 5, in der auch der Rettungsdienst der Feuerwehr untergebracht ist, sollte eigentlich schon vor zwei Jahren in einen Neubau in Möhringen ziehen. Dort gab es aber Verzögerungen. „Wir hoffen auf einen Umzug in den Sommerferien“, sagt Belge. Die Zeit drängt: Die alte Wache ist total marode. Die Kosten waren mit gut 50 Millionen Euro veranschlagt und dürften sich etwas erhöhen.

Weit fortgeschritten sind auch die Pläne für die Wache 1 Süd. Das Gebäude an der Heusteigstraße stammt aus dem 19. Jahrhundert und soll einem Neubau weichen. Bis dahin wird für die Feuerwehr ein Interim an der Paulinenbrücke errichtet, das später für andere Nutzungen offenstehen soll. Baubeginn des Interims könnte 2024 sein, Umzug und Abriss der alten Wache dann 2025. Die Bauzeit wird auf zwei bis drei Jahre geschätzt. Derzeitige Kosten für das Gesamtpaket: etwa 40 Millionen Euro.

Riesenprojekt in Bad Cannstatt

Der weitaus größte Brocken wartet mit der Wache 3 in Bad Cannstatt. Dort soll auf dem alten Areal neu gebaut werden. Allerdings sind die Grundstücke nicht groß genug, um alles unterzubringen. Deshalb wird die erst 17 Jahre alte, aber zu kleine Integrierte Leitstelle gemeinsam mit den Führungsebenen und Teilen der Verwaltung der Feuerwehr – insgesamt rund 200 Leute – in einen Neubau auf städtischen Grundstücken an der Benzstraße ziehen. In der bisherigen Leitstelle bleibt dann die Verkehrsleitstelle der Stadt. Die Wache für Löschzüge, Werkstatt und Logistikzentrum soll im laufenden Betrieb in mehreren Schritten neu errichtet werden. „Das ist eine Riesenherausforderung“, weiß Belge. Ende 2028 könnte die neue Leitstelle in Betrieb gehen. Sie ist samt Verwaltungsbau mit 117 Millionen Euro veranschlagt. Ein weiterer dreistelliger Millionenbetrag wird für die Wache selbst fällig.

Bleiben zwei weitere Großprojekte. Die Wache 2 im Westen soll im Betrieb generalsaniert werden. Dafür wird derzeit eine neue Logistikhalle im Innenhof errichtet. Richtig los geht es aber erst, wenn der Neubau der Wache 1 steht. „Wir können nicht beide Innenstadtwachen gleichzeitig machen“, sagt Belge. Für die Wache 4 in Feuerbach gibt es einen Grundsatzbeschluss zum Neubau. Geprüft wird das ehemalige Fahrion-Gelände. Genauer Zeitplan und Kosten für beide Projekte sind noch offen.

Weil es in verschiedenen Teilen der Stadt zu lange dauern kann, bis die Feuerwehr eintrifft, schlägt ein Gutachten drei kleinere Satelliten-Standorte für die Berufsfeuerwehr vor. Die könnten in den Bereichen Sillenbuch, Vaihingen und Neckartal liegen. Die Planungen haben gerade erst begonnen.

Freiwillige Feuerwehr

Hohen Bedarf gibt es auch bei den Ehrenamtlichen. „Wir haben große räumliche Enge“, weiß Belge. Umziehen klappe manchmal nur, wenn die Fahrzeuge vorher rausgefahren würden. Die Liste der Maßnahmen ist lang: In Münster soll Baubeginn im nächsten Jahr sein. In Untertürkheim und Sillenbuch sucht man neue Standorte. Kleinere Maßnahmen sind in Vaihingen, Mühlhausen und Hofen geplant. In Rohracker ging es nach dem ersten Bauabschnitt aus finanziellen Gründen nicht mit dem zweiten weiter. Etwas passieren muss auch in Birkach, Botnang, Büsnau und Heumaden. Immerhin: In Plieningen, Stammheim und Weilimdorf sind bereits Neubauten entstanden.

Ausbildungszentrum

Ein großes Sorgenkind zeichnet sich ab, für das bisher keine Lösung vorhanden ist. Wenn die Feuerwache 5 von Degerloch nach Möhringen gezogen ist, kann die Feuerwehr das alte Gebäude noch bis Ende 2024 als Aus- und Weiterbildungszentrum für hauptberufliche und ehrenamtliche Kräfte nutzen. Danach soll das Gelände an die Abfallwirtschaft Stuttgart gehen. „Dann haben wir keine adäquate Ersatzfläche, die eine Feuerwehr unserer Größe aber zwingend braucht“, sagt Belge. Alle Suchläufe seien bisher vergeblich gewesen. Deshalb herrscht besonders an dieser Stelle Großalarm.