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Ein Mann in Haiti ist nach zwölf Tagen aus den Trümmern eines Hauses gerettet worden.

Port-au-Prince (dpa) - Wie durch ein Wunder ist ein Mann in Haiti nach zwölf Tagen aus den Trümmern eines Hauses gerettet worden. Nach Mitteilung des US-Militärs wurde der 31-jährige Mann am Dienstag (Ortszeit) eher zufällig bei Aufräumarbeiten entdeckt. Der Mann war nicht bei dem ersten schweren Erdstoß der Stärke 7,0 am 12. Januar verschüttet worden. Zuerst hatte es so ausgesehen, als ob Ricot Duprévil bereits zwei Wochen lang in dem Schutt gelegen hatte.

Die US-Soldaten seien damit beschäftigt gewesen, Trümmer beiseite zu räumen, als sie den Mann entdeckten. Er habe ein gebrochenes Bein und leide an Austrocknung. Duprévil werde von US-Medizinern behandelt, hieß es in Mitteilung des US-Militärs.

Bereits vergangenen Samstag war elf Tage nach dem Beben noch der junge Wismond Exantus aus den Trümmern eines zusammengestürzten Gebäudes gerettet worden. Zuvor hatte er mit Klopfzeichen auf sich aufmerksam gemacht. Auch er hatte unter der Ruine nur so lange überleben können, weil er in einem Hohlraum eingeschlossen war und Getränke und Essen fand. Bei dem Beben kamen nach Schätzungen der haitianischen Regierung etwa 150 000 Menschen ums Leben. Die Zahl der Toten dürfte jedoch noch steigen.

Unicef plant unterdessen zusammen mit der Regierung von Haiti eine riesige Impfkampagne. Ziel sei es, 600.000 Kinder im Alter von bis zu fünf Jahren gegen Masern, Tetanus und Diphtherie zu immunisieren, teilte das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen in Paris mit. Die Verteilung von Wasser und Essen an vom Erdbeben betroffene Familien laufe unterdessen weiter auf Hochtouren.

Haitianische Polizisten versuchten am Dienstag mit Warnschüssen, die Plünderung von Lebensmittellastwagen zu verhindern. Ein Konvoi von drei mit Reis beladenen Kleinlastern fuhr in der Hauptstadt Port- au-Prince an einem der Obdachlosen-Camps vorbei, als plötzlich Hunderte junger Männer und Frauen auf die von Polizisten bewachten Lastwagen zustürmten, und begannen, Reissäcke von den Ladeflächen zu zerren. Sie ließen sich von den zahlreichen Schüssen nicht beeindrucken. Verletzt wurde niemand. "Unser größtes Problem bei der Verteilung von Lebensmitteln ist, dass wir nicht genügend Sicherheitskräfte haben", sagte der Sprecher der UN-Mission auf Haiti, MINUSTAH, der brasilianische Oberstleutnant Fernando Pereyra.

In Port-au-Prince gibt es derzeit über 300 wilde Camps von Obdachlosen auf Straßen, freien Flächen und in Parks. Insgesamt sollen so 500.000 Menschen leben. Die UN wollen rund Hunderttausend von ihnen außerhalb der Hauptstadt in zehn großen Camps unterbringen. Wie die Sprecherin der UN-Mission für Migration, Njurka Pineiro, sagte, haben die Arbeiten an einem der Standorte im Osten bereits begonnen. Beobachter vor Ort gehen davon aus, dass die Mehrzahl der Menschen die Stadt nicht verlassen wird, sondern es vorzieht, dauerhaft in den provisorischen Lagern zu bleiben.

Das Welternährungsprogramm (WFP) der Vereinten Nationen mahnte mehr Hilfe an. Die Menschen des bitterarmen Karibikstaates müssten viel länger versorgt werden als angenommen. "Ursprünglich hatten wir mit zwei Millionen Menschen gerechnet, die wir sechs Monate versorgen müssen", sagte WFP-Chefin Josette Sheeran in New York. "Jetzt gehen wir von mindestens zwölf Monaten aus."

Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva kündigte an, sein Land werde den Wiederaufbau in Haiti mit zusätzlich 375,95 Millionen Reales (rund 150 Millionen Euro) unterstützen. Lula appellierte an die Weltöffentlichkeit, mit der Hilfe für das haitianische Volk nicht zu warten, sondern jetzt tätig zu werden. Die Brasilianer hatten zuvor die Verdopplung ihres Blauhelm-Kontingents für Haiti bekannt gegeben. Bisher waren 1266 brasilianische Militärs unter UN-Mandat in dem Karibikstaat stationiert.