Angela Merkel im Dachzimmer – so sieht Foto: Albers

Kunst-Menschen aus Stoff und andere skurrile Gestalten zeigt das Museum Alraune im Gasthaus „Schwanen“ in Haigerloch.

Haigerloch - Angela Merkel nimmt eine Auszeit im Dachzimmer, Miss Marple jagt einen Hoteldieb, und Salvador Dali starrt auf eine Riesenschlange, die seine Frau Gala verschlungen hat – es ist eine illustre Gesellschaft, die im Haigerlocher Hotel „Schwanen“ abgestiegen und gar nicht öffentlichkeitsscheu ist.

Menschen im Hotel – das war einmal ein Themen-Klassiker für Bücher und Filme. Mittlerweile ist das Genre ein bisschen aus der Mode gekommen. Aber was sich immer noch daraus machen lässt, zeigt die Tübingerin Stefanie Alraune Siebert in Haigerloch, in ihrer neuesten Ausstellung „Kunst-Menschen im Hotel ‚Schwanen’“.

Seit 33 Jahren näht Alraune, so ihr Künstlerinnen-Name, lebensgroße Kunst-Menschen, natürlich ihre Kleidung, unzählige Details dazu. Ein ganzes Universum aus Stoff und Polyester ist so entstanden, das Alraune immer wieder zu verschiedensten Szenerien zusammengestellt hat. Sie hat Schaufenster für exklusive Geschäfte wie das Berliner KaDeWe gestaltet, hat Messe-Stände etwa für Alessi ausgestattet und in Museen ausgestellt. Die letzten Jahre war der Großteil ihrer Figuren in Barth, mal zu einer „Hochzeit im Kloster“ kombiniert, mal zu einer „Klinik“.

Das Hotel Schwanen ist ein historischer Landgasthof

Jetzt hat Alraune ihren ganzen Fundus heim geholt nach Haigerloch. Ein schönes Städtchen, das in den letzten Jahren vielleicht etwas abseits des Metropolen-Sogs geraten ist – was gleich für so manche Betriebsaufgabe und entsprechende Leerstände sorgte. Und Angebote: Die Sieberts haben sich das Hotel „Schwanen“ gekauft. Eine rot gerahmte Barock-Fassade, prächtige Lage am Marktplatz, noch vor gar nicht so langer Zeit ein Hort der Sterne-Küche. Ein historischer Landgasthof und alles andere als ein heruntergekommener Schuppen. Die Sieberts haben ein komplett renoviertes Hotel übernommen. In der Küche blitzt der Edelstahl, in der Gaststube strahlen Holz und Kronleuchter Gediegenheit aus, der Zimmertrakt ist bis hin zu Rauch- und Bewegungsmeldern up to date.

Und das Hotel ist offen. Die Bar zum Beispiel bietet Getränke und die Terrasse, direkt am Eyach-Ufer, ist ein perfekter Ort, um sie zu genießen. Essen und Logis allerdings offeriert der „Schwanen“ nicht – dafür aber die Gelegenheit, mal hemmungslos neugierig in die Zimmer anderer Gäste zu gucken oder in die Küche.

Wo allerhand Merkwürdigkeiten warten. Die Weißkittel-Truppe dort arbeitet unorthodox. Hat mal den Kippe im Mund oder die Rotweinpulle unterm Arm geklemmt. Und ihre Filetscheiben gart sie sekundenschnell mit dem Bügeleisen. In hundert Litern Veuve-Cliqout-Champagner köchelt ein Riesen-Leopoldkalmar. Der aber ist noch höchst lebendig, umschlingt den Sternekoch und zieht ihn in den Sud . „Da zeigt sich mal wieder, welch unfallträchtiger Ort die Küche sein kann“, schreibt Alraune spöttisch auf ihre Texttafel. Und da zeigt sich auch, wie sehr sie es liebt, ihre Geschichten fantasievoll zu überdrehen.

Und dann noch ganz hinten unterm Dach: Die Kanzerlin!

Weshalb sich auch ziemlich schräge Gestalten einquartiert haben. Im Zimmer 13, blutrot drapiert, logiert ein Vampir-Magier mit seiner Fledermaustruppe, nebenan füttern Miss Sophie und Butler James ihren zum Leben erweckten Tigerteppich mit Hühner-Keulchen, und in einem kleinen Zimmerchen sinniert Miss Marple auf ihre Weise vor sich hin: zig Teetassen stehen vor ihr. Sie soll für den Hoteldetektiv einspringen. „Den Großteil seiner Arbeitszeit verbrachte er an der Bar“, hat Alraune diese Geschichte ausgesponnen. „Ein Whiskey, ein Bourbon, ein Gin, Sie verstehen? Rauswerfen ging nicht: Er war angeheiratete Verwandtschaft.“

Und dann noch ganz hinten unterm Dach: Die Kanzlerin! „Inkognito in Haigerloch, das ist ein Freiraum!“ lässt Alraune sie jubeln. Und was macht man da? Sich von Alraune mal ein neues Kostüm schneidern lassen, aus den Vorhängen des Hotels.

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