Rund um Hagnau am Bodensee gedeiht Wein. Der Bodensee und warme Föhnwinde sorgen für ein einzigartiges Klima. Foto: StN

In Hagnau gibt es die älteste Winzergenossenschaft Badens. Müller-Thurgau ist beliebt.

Hagnau - Hagnau am Bodensee hat gerade einmal 1500 Einwohner. Der Winzerverein dort ist mit 150 Hektar bewirtschafteter Rebfläche jedoch der größte genossenschaftliche Weinbaubetrieb am Bodensee. Jetzt hat mit dem Müller-Thurgau die Lese an den Sonnenhängen zwischen Meersburg und Immenstaad begonnen.

Schon wieder fließt Blut. Nicht jeder in unserer elfköpfigen Journalistengruppe, der zur Weinlese eingeladen wurde, kommt offenbar mit der Rebschere zurecht. Eigentlich sieht das schmale Schneidegerät ganz harmlos aus. Doch die Spitze hat es in sich. Wer unaufmerksam ist, schneidet sich unversehens ins Fleisch. Und obwohl uns der Vorsitzende des Winzervereins, Karl Megerle, gewarnt hat, muss nun bereits der dritte Lehrling im Weinberg verpflastert werden.

Mit der Zeit jedoch geht die Lese zügig von der Hand. Ruck, zuck füllen sich die Zuber, die jeweils 330 Kilo fassen. Drei von ihnen entsprechen der Tagesleistung eines Profis im Weinberg - eine Tonne, die wir im zehn Ar großen Weinberg Autenspott immerhin alle gemeinsam schaffen.

In Hagnau spricht aber niemand von der Weinlese. Dort geht man zum Wimmeln, obwohl kaum jemand ganz genau weiß, woher dieser Begriff stammt. "Wahrscheinlich, weil es dann im Weinberg wimmelt", vermuten die Einheimischen. Und tatsächlich: An den Weinstöcken wimmelt es von reifen Beeren, im Weinberg und in den Gassen von Hagnau von eifrigen Menschen. Auch nach Einbruch der Dunkelheit stehen die Trecker immer noch vor der Kelter Schlange, um die Ernte abzugeben. Die Zuber werden aufs Band geladen und gewogen: Innerhalb von Sekunden wird für jeden Zuber einzeln der Öchsle-Grad gemessen. Der Bodensee wirkt als Wärmespeicher, warme Föhnwinde sorgen für ein einzigartiges Kleinklima in den Höhenlagen auf mehr als 400 Metern.

Die Trauben werden in Hagnau ausschließlich von Hand gelesen.

Seit 1993 bewirtschaftet die älteste Winzergenossenschaft Badens die gesamte Rebfläche umweltschonend. Schädlinge werden auf natürliche Weise bekämpft. So finden sich zwischen den Reben in regelmäßigen Abständen kleine Plastikampullen. Sie enthalten Pheromone, die den Duftkompass des Traubenwicklers stören. Dadurch wird eine Massenvermehrung der Motte verhindert.

Die Trauben werden in Hagnau ausschließlich von Hand gelesen. Traditionell kommt als erster der Müller-Thurgau in die Presse. Die Schalen sind empfindlich und leiden, falls ein heftiger herbstlicher Regenguss sie treffen würde. "Der Müller", wie die Sorte genannt wird, ist die klassische Rebsorte am nördlichen Bodenseeufer. 40 Prozent macht ihr Anteil an der Rebfläche der Winzer aus. Der Müller liegt damit gleichauf mit dem Spätburgunder, der einzig nennenswerten roten Sorte. Auf acht Prozent kommt der Grau- und auf drei Prozent der Weißburgunder. Neuerdings wird auf kleineren Flächen auch mit pilzresistenten Sorten wie dem Regent experimentiert. Die Gesamtausbeute aus den 150 Hektar wird auf einen bis 1,2 Millionen Liter begrenzt.

Neben Starkregen, Hagel, Insekten und Pilzen gehören die Stare zu den schlimmsten Feinden der Bodenseereben. Doch die Winzer machen es ihnen schwer: Wer durch die Weinberge pilgert, wird plötzlich durch laute Rufe von Raubvögeln überrascht. Auch Schüsse fallen, und selbst die Geräuschkulisse eines regen Bahnhofsbetriebs fehlt nicht. Karl Megerle hat die Geräusche auf Band aufgenommen, mit denen die Lagen beschallt werden. Und er weiß den Geräusche-Mix zu erklären: "Wenn es nur Vogelstimmen wären, gewöhnen sich die Stare daran."

Auf mehreren Wanderwegen lassen sich Hagnaus Weinberge am besten erkunden. Von den Höhen schweift der Blick über die Reben, den Ort und den See bis ans gegenüberliegende Schweizer Bodenseeufer. Die Reben begleiten den Wanderer schließlich zurück in den Ort bis vors Rathaus: Die Gemeinde versteht es als Markenzeichen, dass der Wein auch in den Gassen überall präsent ist.