Drohendes Unheil: Wenn Gewitterwolken über den Weinbergen in der Region Stuttgart aufziehen, gilt für die Hagelflieger höchste Alarmbereitschaft. Foto: Gottfried Stoppel

Der Kreis Ludwigsburg beteiligt sich nach 20 Jahren wieder an der Hagelabwehr. Mit Flugzeugen soll dabei verhindert werden, dass gefährliche Eisbrocken entstehen. Über die Entscheidung sind nicht alle glücklich.

Ludwigsburg - Wenn sich der Himmel verdunkelt, geht es los: Rainer Schopf und seine Kollegen eilen zu ihren Flugzeugen, starten die Motoren und fliegen direkt auf die Gewitterfront zu. Mittels Düsen an den Tragflächen impfen die Hagelflieger den dunklen Wolken eine Silberjodid-Lösung ein. Größere Eisbrocken, so der Plan der tollkühnen Männer, sollen so verhindert und Menschen, Autodächer, Apfelbäume und Weinreben vor größeren Schäden bewahrt werden.

Seit rund 35 Jahren gibt es diese Form der Hagelabwehr im Land, seit Montag ist klar: Auch der Landkreis Ludwigsburg beteiligt sich wieder daran. Rund 20 Jahre nach dem Ausstieg hat der Umweltausschuss des Kreistages einstimmig beschlossen, bis 2021 jährlich 10 000 Euro für die Hagelflieger beizusteuern.

Organisiert wird die Hagelabwehr im mittleren Neckarraum von Waiblingen (Rems-Murr-Kreis) aus. Im dortigen Landratsamt sitzt die „Gemeinschaftsinitiative Hagelabwehr in der Region Stuttgart.“ Derzeit betreibt die Organisation zwei Flugzeuge, die am Flughafen Stuttgart stehen, wie die Sprecherin der Kreisbehörde, Martina Nicklaus, erklärt. Die Kosten von rund 300 000 Euro pro Jahr tragen bisher der Rems-Murr-Kreis, verschiedene Kommunen, darunter Stuttgart und Esslingen, aber auch Organisationen aus dem Obst- und Weinbau, sowie Unternehmen und Versicherungen. 2017 beginnt ein neuer, fünf Jahre dauernder Finanzierungsvertrag – mit Ludwigsburger Beteiligung.

Vor 20 Jahren stieg der Kreis aus der Finanzierung aus

„Wir unterstützen das gerne“, sagte der Freie-Wähler-Rat Ralf Zimmermann in der Ausschusssitzung am Montag. Mit der Summe gebe man ein Zeichen an die Obstbauern und Weingärtner. Diese hatten in unabhängigen Anträgen den Landrat um Unterstützung gebeten. Sie befürchten schwere Schäden an ihren Reben und Früchten, sollten große Hagelschläge nicht verhindert werden.

Auch Albrecht Fischer (CDU), selbst Weingärtner aus Vaihingen/Enz, sprach sich für die Finanzspritze aus. „Die 10 000 Euro sind ein Klacks im Vergleich zu Millionenschäden.“ Deutlich weniger euphorisch äußerten sich dagegen die Grünen. Deren Fraktionschef Peter-Michael Valet hat Bedenken, ob das verwendete Silberjodid ökologisch wirklich so ungefährlich sei, wie von den Befürwortern behauptet. „Wir stimmen dem Ganzen nur schweren Herzens zu, denn wir wissen nicht wirklich, was da oben passiert.“

Tatsächlich ist die Diskussion über die Wirksamkeit der Wolkenimpfung so alt wie das Verfahren selbst. „Umstritten“ nennt das Landratsamt Ludwigsburg die Technik in einer Vorlage für die Kreisräte, von „durchaus geteilten Meinungen“ sprach der Landrat Rainer Haas.

Befürworter haben keinen Zweifel daran, dass in den Schutzgebieten die Schäden durch Hagel signifikant geringer sind als in Landstrichen ohne Abwehrflieger. Den Gegnern fehlt hingegen ein eindeutiger wissenschaftlicher Beweis: Bislang sei die Wirksamkeit des Silberjodids nicht exakt nachgewiesen worden.

Immer mehr Flugzeuge sind im Einsatz

Fakt ist, dass die Hagelflieger immer mehr nachgefragt werden. So stieg die Zahl der hier kreisenden Flugzeuge in den vergangenen Jahren von einem auf sieben an, zudem vergrößerte sich das Einsatzgebiet der Piloten am Stuttgarter Flughafen: Es deckt vor allem die Kreise Ludwigsburg und Rems-Murr ab, dazu die Stadt Stuttgart und Teile des Kreises Esslingen. Neu unter den Schutzschirm geschlüpft ist der Raum Heilbronn, weswegen sich der Landkreis von 2017 ebenfalls an der Finanzierung beteiligt. Ein Flieger, den die Württembergische Gemeinde-Versicherung (WGV) unterhält, steigt ebenfalls in der Region auf.

In Waiblingen ist man froh über Unterstützer. Im Frühjahr hatte der Kreistag beschlossen, weiterhin jährlich 50 000 Euro zu investieren. Der Ludwigsburger Beitrag helfe, eine Finanzierungslücke zu schließen, sagt die Sprecherin Martina Nicklaus.