Tristesse pur, soweit das Auge reicht: Die Kreuzung Brennerstraße/Gebersheimer Straße in Leonberg ähnelt einer abweisenden Asphaltwüste. Foto: /Jürgen Bach

Ein Rundgang durch die Leonberger Innenstadt offenbart, wie sehr die City vom Baustil der Siebzigerjahre geprägt ist. Hier ist mehr zu tun als nur neue Radwege auszuweisen.

Wie sieht die Zukunft der Städte aus? Wie ist mehr Aufenthaltsqualität möglich, was macht Zentren lebenswert? Diese Fragen werden in nahezu allen Kommunen diskutiert. Auch in Leonberg, wo es unter der Überschrift „Stadt für morgen“ große Pläne für eine verkehrsberuhigte City gibt. Doch wie ist der Istzustand? Eine – zwangsläufig nur unvollständige – Bestandsaufnahme.

 

Der Stadteingang: ein Parkplatz

Wer mit dem Auto von der Autobahn 8 am Westanschluss in die Stadt reinfährt, wird von einem riesigen Parkplatz begrüßt. Linkerhand der ersten großen Kreuzung in Leonberg stehen Unmengen von Autos. Die gehören den Mitarbeitern des großen Geze-Werkes, das am westlichen Stadtrand seinen Stammsitz hat.

Hier arbeiten Hunderte Menschen, viele kommen von auswärts und brauchen einen Platz für ihren Wagen. Doch dieser Platz ist ausgerechnet am wichtigsten Stadteingang. An der Ampel, die zumeist rot ist, haben hereinkommende Fahrer genügend Zeit, das Tor von Leonberg auf sich wirken zu lassen. Der Charme erinnert an das Umfeld einer großen Autofabrik in einem Industriegebiet. Dass in nur zwei Kilometern Luftlinie eine pittoreske Altstadt wartet, darauf deutet nichts hin, noch nicht mal ein Schild.

Der Bahnhof: DDR-Charme

Jenen, die sich Leonberg mit dem Zug nähern, ergeht es nicht viel besser. „Den Charakter einer DDR-Grenzstation“ hat einmal ein Leser dem Bahnhof attestiert. Ob es ganz so schlimm ist, sei dahingestellt. Doch einladend ist der Flachbau, für den 1967 das historische Empfangsgebäude weichen musste, nicht. Allenfalls funktional. Wobei das auch nicht ganz richtig ist. Denn eine funktionierende Toilette im Bahnhof gibt es erst seit zweieinhalb Jahren.

Vorher war sage und schreibe ein Vierteljahrhundert über Kosten und Aussehen eines öffentlichen WCs gestritten worden. Die Bahn hatte sich aus dieser Diskussion völlig herausgezogen. Die Notdurft ihrer Gäste interessiert sie nicht, dafür sei der Bahnhof zu klein. Um aber den typischen Geruch von Bahnhofunterführungen zu vermeiden, rang sich der Gemeinderat schließlich durch, knapp 200 000 Euro für eine zugegebenermaßen recht ansehnliche WC-Anlage freizugeben.

Die freilich rettet das Gesamtambiente rund um den Bahnhof, der auch Knotenpunkt für die regionalen Busse ist, nicht wirklich. Der Busbahnhof ist in die Jahre gekommen, daran ändern auch die modern elektronischen Anzeigetafeln nichts, die nun die aktuellen Abfahrten anzeigen.

Allein der einstige Güterbahnhof verbreitet heimelige Atmosphäre. Hier hatte der Braumeister Dominik Sacher vor fast 20 Jahren mit hohem finanziellen Aufwand den Güterschuppen in ein rustikales Brauhaus verwandelt. Seither ist es ein beliebter Treffpunkt – nicht nur für Bierfreunde. Sacher selbst hat sich zwar mittlerweile zurückgezogen und betreibt im Leo-Center ein veganes Restaurant. Doch das Brow, wie das Brauhaus mittlerweile heißt, ist nicht minder erfolgreich.

Besonders beliebt ist die alte Verladerampe, von der aus an warmen Abenden bei Speis und Trank die ein- und ausfahrenden Züge beobachtet werden können. Und selbst der Straßenblick ist – nun ja – erträglich. Dort steht seit knapp sieben Jahren ein modernes Parkhaus. Gewiss kein städtebaulicher Höhepunkt, aber im Vergleich zum Vorgängermodell ein Quantensprung. Spötter verorteten das alte Parkhaus in die Bronx, jenes heruntergekommene Stadtviertel von New York, das hierzulande vor allem aus amerikanischen Gangsterfilmen bekannt ist.

Wie auch immer: Dass am Bahnhof etwas geschehen muss, steht außer Frage, soll doch Leonberg zum regionalen Verkehrsknoten ausgebaut werden. Die Stadt hat sicherheitshalber schon mal einige benachbarte Grundstücke gekauft, doch wann wirklich was am Bahnhof passiert, ist nicht absehbar.

Die Bahnhofstraße: leere Häuser

Folgt man der gleichnamigen Straße, wird es nicht besser. Die Bahnhofstraße ist alles andere als eine Prachtallee. Und dort,wo sie jenseits der Altstadt in die Grabenstraße mündet, ist es zumindest im Moment besonders schlimm. Hier soll in hoffentlich nicht mehr allzulanger Zeit ein großer Steg ein noch zu bauendes Stadtquartier, das Postareal, mit dem Marktplatz verbinden. Ein sechs Meter breiter Übergang, ausschließlich für Fußgänger und Radler, wenn es denn so kommt, wäre eine tolle Sache.

Doch bis jetzt prägen leer stehende Häuser die Ecke. Vorne die einstige Volksbank, in die zwischenzeitlich das städtische Tiefbauamt eingezogen war. Die verstaubten wie altmodischen Fächer für die Stechkarten der Zeiterfassung sind heute noch zu sehen. Dahinter die einstige Stadtapotheke und ein Haus, in dem früher die Gäste einer Spielhölle ihr Geld verpulverten. All das gehört jetzt der Stadt, all das wartet auf den Abriss, auf dass endlich der Brückenschlag komme. So lange aber ist es ein echter Schandfleck, und das direkt am Zugang zur Altstadt, die zu den wirklichen schönen Vierteln Leonbergs gehört.

Die Stadtmitte: Urbanität der 70er

Der Weg in die sogenannte neue Stadtmitte bringt keine Änderung zum Positiven. Die Eltinger Straße ist eine Art Stadtautobahn im Kleinen: Hinter dem Rathaus und dem optisch markanten Hallenbad kommen ein paar zusammengewürfelte Häuser, bevor es dann mit den Bausünden der Siebziger so richtig losgeht. Riesige Hochhäuser, die an Betonvorstädte der Metropolen erinnern. Drumherum ein großer Platz, der komplett den Autos gehört.

Der Neuköllner Platz, benannt nach dem mittlerweile berühmt-berüchtigten Partnerbezirk in Berlin, steht für das Urbanitätsverständnis der Siebziger: viel Asphalt, viel Platz für Autos, kaum Grün. Genau das soll geändert werden. Der Leonberger Oberbürgermeister Martin Georg Cohn hat dafür einen Slogan entwickelt. Die „Stadt für morgen“ soll nicht mehr aus mehrspurigen Straßen entstehen. Statt dessen ist reichlich Platz für Fußgänger und Radler geplant. Die kühnste der Visionen ist eine völlige Verkehrsberuhigung des Neuköllner Platzes.

Steinstraße: Der Markt auf Beton

Parallel zur Eltinger Straße geht es ruhiger zu. Mitten in einem Wohnviertel ist ein riesiger Parkplatz, daneben das Reiterstadion. Auf dem Betonplatz in der Steinstraße findest samstags der Markt statt, in dem kleinen Stadion drehen einmal im Jahr während des Pferdemarkts Gespanne und Ponys ihre Runden. Ansonsten liegt das Gelände brach.

Ideen gibt es viele. Das Reiterstadion könnte als Konzert- und Kulturbühne fungieren. Der Parkplatz in der Steinstraße könnte die Rolle einer grünen Oase im Zentrum einnehmen. Nicht wenige sähen den Markt ohnehin lieber auf dem historischen Marktplatz mit seiner beeindruckenden Fachwerkkulisse. Letzteres ist bisher am Widerstand einiger Marktbeschicker und jener Kundschaft, die am liebsten mit dem Auto bis vor die Stände fährt, gescheitert.

Und mit dem Reiterstadion als Kulturbühne ist es auch nicht so ganz einfach, liegt es doch direkt in einem Wohngebiet. Hier müsste um 22 Uhr Schluss sein. Das beliebte Leonpalooza-Festival beispielsweise könnte hier kaum stattfinden.

Fazit: Es gibt viel Potenzial

Es gibt also buchstäblich viele Baustellen in der Stadt, die der dringenden Bearbeitung harren. Der Leonberger Baubürgermeister drückt es positiv aus: „Wir haben unglaublich viel Potenzial“, sagt Klaus Brenner.