Das Erbschaftsteuergesetz verzögert sich. Die Rechtsgrundlage für Steuerbescheide ist unsicher. Foto: dpa

Die Reform der Erbschaftsteuer verzögert sich. Weil der Bundesrat den Vermittlungsausschuss angerufen hat, wird das Gesetz frühestens im Herbst fertig. In der parlamentarischen Sommerpause wird es keine Verhandlungen geben. Die Wirtschaft ist beunruhigt.

Berlin - Das Gesetz zur Reform der Erbschaftsteuer verzögert sich mindestens bis Herbst. Das folgt aus der Entscheidung des Bundesrates, den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat anzurufen. Die Mehrheit der Länder stimmte für ein Vermittlungsverfahren, weil sie der Meinung ist, dass die Vergünstigungen für Firmenerben zu weit gehen und damit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts widersprechen. Dieser Ansicht ist Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) aber nicht. Er sagte in Berlin, die baden-württembergische Landesregierung hätte dem Gesetzentwurf der großen Koalition zugestimmt. Baden-Württemberg wäre damit aber das einzige Land mit grüner Regierungsbeteiligung gewesen. Die Stimmen von Baden-Württemberg reichen nicht, um der großen Koalition in der Länderkammer eine Mehrheit zu verschaffen. Deshalb einigten sich die Länder letztendlich auf ein Vermittlungsverfahren.

Bayern lehnt Steuererhöhungen ab

Im Bundesrat verteidigte der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) das Gesetz der Koalition. Bei der Erbschaftsteuer gehe es in erster Linie um die Sicherung von Arbeitsplätzen und Investitionen, sagte Seehofer. „Wir wollen keine höheren Substanzsteuern“, sagte er. Bayern werde sich jedem Versuch zu Steuererhöhungen widersetzen. Aus der CDU-Bundestagsfraktion ist zu hören, Bayern habe in den Verhandlungen völlig überzogen. „Die CSU hat den Hals nicht voll bekommen“, heißt es in CDU-Kreisen. Seehofers Einschätzung widersprach auch der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD): Es sei eine Masche, den Kritikern des Gesetzes zu unterstellen, ihnen liege das Wohl der Familienunternehmen nicht am Herzen. Dies sei falsch, sagte der SPD-Politiker. Das Verfassungsgericht habe dem Gesetzgeber aber aufgegeben, für eine angemessene Besteuerung zu sorgen.

Der Sozialdemokrat rügte die Einflussnahme der Wirtschaftsverbände: „Da hat die Lobby ganze Arbeit geleistet“, sagte Walter-Borjans. Nordrhein-Westfalen will den Gesetzentwurf in acht Punkten aufschnüren. Dieser Antrag bekam im Bundesrat aber keine Mehrheit. Der Vermittlungsausschuss wurde mit dem unbestimmten Auftrag eingesetzt, das Gesetz zu überarbeiten. Der Verzicht auf Vorbedingungen soll die Gespräche erleichtern.

Die Wirtschaftsverbände befürchten, dass wegen der Verzögerungen Rechtsunsicherheit entsteht. Der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) beklagte, dass der Bundesrat mit seiner Verweigerungshaltung die Hängepartie verlängert. Dies gehe zu Lasten der Familienunternehmen, sagte der BDI-Hauptgeschäftsführer Markus Kerber. „Das ist sehr gefährlich, denn unsere Familienunternehmen brauchen rasche Rechtssicherheit.“ Enttäuscht zeigte sich auch das Handwerk: „Der Zustand der Rechtsunsicherheit bleibt für die Unternehmen bestehen“, erklärte der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). Das Handwerk rief den Bund und die Länder auf, schnell zu verhandeln. Das Verfassungsgericht setzte dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 30. Juni 2016, bis zu der ein neues Erbschaftsteuergesetz vorliegen soll. Wegen der Verzögerungen forderte das Handwerk die Politik auf, noch während der Sommerpause Gespräche zu führen. Damit ist wegen der Parlamentsferien aber nicht zu rechnen. Die Absprachen der Finanzminister sehen nach Informationen dieser Zeitung vor, dass die Verhandlungen im September anlaufen. Dazu soll eine Arbeitsgruppe gebildet werden.

Kritik an den Verzögerungen kommt auch aus der großen Koalition. Der CDU-Finanzpolitiker Ralph Brinkhaus sagte: „Wir halten die Anrufung des Vermittlungsausschusses für unverantwortlich.“ Dies sei ein herber Schlag für die Unternehmen. Der Bundesrat gerate zunehmend in eine destruktive Rolle, so die Position des Christdemokraten Brinkhaus.

Kretschmann mahnt Bundesregierung

Dem widersprach der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann vehement. „Der Bundesrat ist kein Abnickgremium“, sagte Kretschmann. Er macht die große Koalition für die enormen Verzögerungen verantwortlich: „Der Bundesregierung würde ich anraten, die Dinge früher einzufädeln.“ Es gehe jedenfalls nicht, dass Union und SPD lange Zeit verhandelten und die Länder dann vor vollendete Tatsachen stellten. Im Bundesrat sei die große Koalition auf die grünen Länder angewiesen, stellte der baden-württembergische Regierungschef klar. Am Erbschaftsteuergesetz der großen Koalition sieht Kretschmann keinen großen Änderungsbedarf. Offen ist freilich, ob das Bundesverfassungsgericht das Gesetz billigt, das am Ende verabschiedet wird.