FDP-Fraktionschef Schmiedel präsentiert Wolf-Bilder Foto: dpa

Gefärbt, getönt oder renaturiert? Eigentlich ist die Haarfarbe von Politi- kern Privatsache. Aber im Vorwahlkampf versuchen die Gegner schon einmal, möglichst viele Punkte zu sammeln

Stuttgart - Hättest Du geschwiegen, wärest Du ein Philosoph geblieben, soll der römische Gelehrte Boethius geantwortet haben, als ihn ein Schüler um Anerkennung bat. Hätte Claus Schmiedel geschwiegen, dann wüssten nur Eingeweihte, wie es der politische Gegner mit der Haarfarbe hält – und wie er selbst dem Reiferwerden auf dem Kopf trotzt. „Der Wolf wechselt seine Positionen wie die Haarfarbe, der ist überhaupt nicht echt“, hatte der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Landtag beim politischen Aschermittwoch seiner Partei in Ludwigsburg gelästert und drei Bilder des CDU-Spitzenkandidaten Guido Wolf präsentiert.

„Ich färbe nicht, ich renaturiere“, teilte Wolf (53) dem SPD-Politiker tags darauf via „Bild“-Zeitung mit. Er sei schließlich ein ökologischer Mensch. Als solcher sieht sich auch Schmiedel. Seine persönliche Haarpflege bestehe ausschließlich aus „Waschen und Föhnen“, ließ der 63-Jährige auf Anfrage unserer Zeitung ausrichten.

Neben Färben und Tönen bieten Friseure tatsächlich an, grauen Haaren durch Renaturierung ihre alte Farbe zurückzugeben. Dabei wird Farbe in das Haar eingelagert, allerdings langsamer als beim klassischen Färben. Die von der Werbung versprochene Naturfarbe kehrt aber nicht auf Dauer zurück – nichts kann die Haarwurzeln dazu bewegen, von grau wieder auf blond, brünett oder schwarz zu schalten. Ökologen warnen, die chemischen Stoffe bei der Renaturierung seien ganz und gar nicht unbedenklich.

Dass solche Haarspaltereien den politischen Kontrahenten tatsächlich nutzen, bezweifelt Andreas Köhler. Wolfs Idee, mit seinem Namen zu spielen und sich ein Wolfsimage zu geben, sei raffiniert, sagt der Gründer der Agentur Die Image Berater in Solingen. Damit könne der Oppositionspolitiker beispielsweise naturverbundene Menschen ansprechen, aber auch diejenigen, die mit der aktuellen Politik unzufrieden sind und sich mehr Biss oder härtere Maßnahmen wünschen. „Solche manipulativen Strategien können aber auch in die Hose gehen.“

Als Eigentor hingegen bewertet er Schmiedels Attacke gegen den CDU-Mann. Wer graue Haare als negativ ins Spiel bringe, müsse damit rechnen, dass er ältere Wähler kränke. Im übrigen weckten graue Haare auch bei Politikern eher Vertrauen – siehe Außenminister Frank Walter Steinmeier. Männer tricksten bei der Haarfarbe vor allem, wenn sie Frauen beeindrucken wollten.

Wie riskant Haardiskussionen werden können, erlebte eine Nachrichtenagentur. 2002 ließ der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) ihr gerichtlich untersagen, das Zitat einer Imageberaterin zu wiederholen. Diese hatte behauptet, der Kanzler färbe seine Haare. In Ägypten protestierten vor Jahren Bürger gegen den damaligen Diktator Hussein Mubarak mit Parolen wie: „Wir wollen einen Präsidenten, der seine Haare nicht färbt“ – dieser hatte auch mit 83 Jahren noch tiefschwarzes Haar.

In Stuttgart bekannte sich unterdessen ein weiterer Politiker dazu, sich mit seiner Haarfarbe zu beschäftigen. „Verstehe die Aufregung um Guido Wolfs gefärbte Haare nicht“, ließ FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke (53) über den Kurznachrichtendienst Twitter wissen. „Ich färbe schon lange, nämlich grau an den Schläfen, um seriöser zu wirken.“

Über all das dürfte Ministerpräsident Winfried Kretschmann nur schmunzeln. Doch auch über die Haarpracht des Grünen-Politikers wurde beim politischen Aschermittwoch ein Geheimnis gelüftet – der Tipp kam aus den eigenen Reihen. Seine windschnittige Frisur verdanke der Ministerpräsident seinem Amtsvorgänger, verriet Minister Alexander Bonde vor zwei Tagen. Beim Blick in dessen Schublade im Staatsministerium nach dem Amtswechsel hätten sich Kretschmanns Haare aufgestellt.