Der plötzliche Tod von Mia Sophie Lietke vor etwas mehr als einem Jahr erschütterte die Sportwelt. Der Trainingsbetrieb am Bundesstützpunkt in Fellbach-Schmiden läuft mittlerweile normal – doch die Erinnerung an die Trainingsgefährtin bleibt.
Im Bundesstützpunkt für Rhythmische Sportgymnastik in Fellbach-Schmiden ist längst wieder der Trainingsalltag eingekehrt. An der Stätte, an der Darja Varfolomeev zur Olympiasiegerin gereift ist, wird hart und viel gearbeitet, und es wird gelacht. Mia Sophie Lietke, die im Alter von 16 Jahren plötzlich und unerwartet starb, ist aber nicht vergessen. Ein Foto der Gymnastin hängt gut sichtbar im Eingangsbereich.
Todesursache war ein Herzversagen
Der Tod von Mia Sophie Lietke am 16. November 2023 hatte nicht nur die Sportwelt erschüttert. Im März 2024 wurde das Obduktionsergebnis bekannt. Die talentierte Nachwuchsgymnastin, das hatten die umfangreichen Untersuchung ergeben, war an Herzversagen gestorben. Was ursächlich war für die beidseitige Lungenarterienembolie, die zu einem akuten Rechtsherzversagen führte – diese Frage ist allerdings bis heute unbeantwortet geblieben.
Im Bundesstützpunkt Schmiden seien die Details aus dem Obduktionsbericht verhalten aufgenommen worden, so Hannes Haßpacher, der Teamleiter Kommunikation beim STB: „Der tragische Tod von Mia Lietke wird dadurch in keiner Weise abgemildert.“ Entsprechend arbeiteten alle weiter daran, das Geschehene zu verarbeiten. „Grundsätzlich wird der gesamte Stützpunkt psychologisch betreut, und natürlich kann es sein, dass in diesem Kontext das Geschehene noch mal thematisiert wird“, sagt der Pressesprecher. Es gebe aber keinerlei Anzeichen, dass man von Stützpunktseite aus etwas an dieser Sache hätte verhindern können, betonte Hannes Haßpacher. „Daher sind auch zukünftig keine zusätzlichen Maßnahmen erforderlich oder gefordert.“ Zumal sich die Randsportart durch die großen Erfolge der Schmidenerinnen, allen voran der mehrfachen Weltmeisterin und Olympiasiegerin Darja Varfolomeev, aber auch von der Olympiavierten Margarita Kolosov, derzeit wachsender Beliebtheit erfreut, was sich auch positiv auf die Zahl der Mädchen auswirkt, die ihren Sportidolen nacheifern wollen.
Rückblick: Im Januar 2023 war Mia Sophie Lietke von Berlin wo ihre Familie lebt, die ursprünglich aus Ulm kommt, nach Fellbach-Schmiden gezogen. Fortan trainierte das talentierte Mädchen aus der Hauptstadt mit den besten deutschen Gymnastinnen am Bundesstützpunkt, wohnte im Stützpunkt-Internat und besuchte die Klasse 10d des benachbarten Gustav-Stresemann-Gymnasiums. Mia Sophie Lietke war Teil der Nationalgruppe und konnte sich im Juli über den Sprung in den Perspektivkader des Deutschen Turner-Bundes (DTB) freuen. Für den Berliner TSC startete sie außerdem erfolgreich in der Bundesliga – und sie hatte einen großen Traum: die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles.
Der plötzliche Tod der jungen Gymnastin hat viele Fragen aufgeworfen
Der plötzliche Tod der jungen Gymnastin an jenem Donnerstag Mitte November warf viele Fragen auf. Und wie in solchen Fällen üblich, wurde von der Staatsanwaltschaft Stuttgart eine gerichtliche Obduktion angeordnet, um die Todesursache zu klären. Nach einem Vierteljahr veröffentlichte der Schwäbische Turnerbund (STB) eine Erklärung, die die allgemeine Vermutung bestätigte, ein medizinisches Problem sei die Ursache für den Todesfall gewesen. „Die bei der Athletin durchgeführte gerichtliche Obduktion ergab laut Bericht der durchführenden Einrichtung als Todesursache eine beidseitige Lungenarterienembolie, die zu einem akuten Rechtsherzversagen geführt hat“, wird darin Professor Andreas Nieß zitiert, ärztlicher Direktor der Abteilung Sportmedizin an der Uniklinik Tübingen, der für die Obduktion zuständig war.
Laut dem MSD-Manual, einem Handbuch für Medizin, können neben Blutgerinnungsstörungen unter anderem Krebs, Infektionen wie SARS-CoV-2, Verletzungen, Sichelzellenanämie, ein Schlaganfall und die Einnahme von Östrogenen oder eine Testosteronbehandlung die Ursache für eine Lungenembolie sein. Was genau bei Mia Sophie Lietke das Ereignis ausgelöst habe, ließ sich laut Nieß nicht nachweisen. Häufig gehe eine Embolie auf eine Thrombose in den Bein- oder Beckenvenen zurück, erklärte Steffen Endres, Oberarzt in der Abteilung für Kardiologie und Angiologie am Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart: „Das Gerinnsel macht sich dann auf die Reise durch den Körper und kann, wenn es in die Lungenarterie eingeschwemmt wird, diese verstopfen.“
Darja Varfolomeev hat mit ihrem Olympiasieg ein Versprechen gehalten
Für Darja Varfolomeev war der plötzliche Tod von Mia Sophie Lietke, die „ein wundervoller Mensch und eine tolle Gymnastin“ war, ein Schock und ein großer Verlust, und sie versprach: „Wir wollen Mias Traum für sie weiterleben und bei den Olympischen Spielen alles geben.“ Das Versprechen, das sie ihrer verstorbenen Stützpunktgefährtin gab, hat die Olympiasiegerin von Paris gehalten.