Blick vom Stuttgarter Rathaus – von dort muss mehr Dynamik ausgehen. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Behördlicher Schwergang behindert die Entwicklung der Landeshauptstadt, stellt Lokalchef Jan Sellner fest. In der Stuttgarter Stadtverwaltung muss sich 2018 dringend etwas bewegen.

Stuttgart - Vorsätze fürs neue Jahr? Wie wär’s mit diesen: mehr Tempo, mehr Zug, größere Beschleunigung. Nicht wünschenswert, meinen Sie? Verständlich, da sich doch alle vornehmen, Tempo rauszunehmen, weniger Stress zu haben, das Leben zu entschleunigen – um dann doch wieder mitgerissen zu werden von der verbreiteten Hektik um uns herum. Trotzdem sei hier frech ausgeführt: Mehr Geschwindigkeit im neuen Jahr ist nicht nur erstrebenswert, sondern dringend geboten!

Dieser Wunsch hat einen Adressaten: die Stadtverwaltung Stuttgart, insbesondere das Stadtplanungs- und das Bauamt. Passender wäre die Bezeichnung städtisches Entschleunigungsamt. Jedenfalls begegnet einem in Zusammenhang mit diesen Stellen auffallend oft das Wort vom „behördlichen Schwergang“. Ein beschönigender Ausdruck für Schlafmützigkeit.

Bauprojekte kommen nicht voran

Jüngst erst haben der bauwillige Geschäftsführer der evangelischen Heimstiftung Bernhard Schneider und der ebenso bauwillige katholische Stadtdekan Christian Hermes unabhängig voneinander auf das Phänomen des Schwergangs hingewiesen. „Nirgendwo im Land sind die Verfahren so langwierig wie in der Landhauptstadt“, beklagte Schneider. Mehrere Heimträger warteten auf die Genehmigung von Bauprojekten, mit denen dem akuten Mangel an Heimplätzen in Stuttgart begegnet werden könne. Betroffen sind unter anderem das Christoph- und das Olga-Stift. „Beide Projekte könnten seit einem Jahr fertig sein“, stellte Schneider ernüchtert fest. Sind sie aber nicht, weil die Verwaltung offenbar nicht zu Potte kommt.

Frustrierende Erfahrungen macht auch Stadtdekan Hermes. „Mit zunehmender Ungeduld und wachsendem Unverständnis sehe ich, dass auch unsere Bauvorhaben gar nicht oder nur mit unglaublichen Beschwernissen vorankommen“, sagte er stellte er im Interview mit unserer Zeitung fest. Dabei geht’s hier nicht um neue Shopping-Malls, sondern um Altenhilfeeinrichtungen, Gemeindehäuser und Kitas. Auf 50 000 Quadratmeter summiert sich dieses soziale Invest. Bisher hängt es in der Luft. Warum? „Termine kommen nicht zustande, Genehmigungen bleiben aus. Wir laufen bei der Stadt von Pontius zu Pilatus, und es tut sich nichts“, klagt der Dekan. In der Verwaltung diagnostiziert er „einen Mangel an Planungssicherheit, Koordination und Effektivität“. Mit Verlaub: Das ist ein Totalverriss.

An wichtigen Stellen ist Sand im Getriebe

Um auch das klar zu sagen: In der Stadtverwaltung wird trotz teils angespannter Personalsituation an vielen Stellen hervorragende Arbeit geleistet – aber eben nicht überall. An wichtigen Stellen, die auch für die Dynamik der Stadtentwicklung wichtig sind, ist Sand im Getriebe. Nennen wir es Bürokratie. Natürlich gilt es dieses und jenes zu bedenken und zu wenden und zu prüfen und zu beraten und zu gewichten und in eine Reihenfolge zu bringen und sich rückzuversichern und sonst wie abzusichern – aber das alles muss doch in einem angemessenen zeitlichen Verhältnis stehen.

Die Verantwortung für den Stuttgarter Schwergang trägt der Chef der Verwaltung, Oberbürgermeister Fritz Kuhn. Die im Doppelhaushalt genehmigten zusätzlichen Stellen etwa für das Hochbauamt bewirken alleine noch keine Verbesserung. Es geht auch um die Einstellung zu den Dingen. Mehr Tempo und Entscheidungsfreude an den fraglichen Stellen – das muss Kuhns Vorsatz für 2018 sein.

jan.sellner@stzn.de