Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion im Landtag, Hans-Ulrich Sckerl: „Ich lüge meine Kollegen nicht an.“ Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Der Spitzen-Grüne Hans-Ulrich Sckerl behauptet, seine Kollegen im Parlament nicht anzulügen. Seine E-Mails in der Gutachtenaffäre lassen an dieser Sichtweise zweifeln.

Stuttgart - Einer wie der Grünen-Politiker Ulrich Sckerl gehört in den Maschinenraum der Macht. Dahin, wo im Parlament die Kolben geschmiert werden müssen, damit die Arbeit der Abgeordneten reibungslos läuft. Wo Fraktionskollegen auf Linie gebracht werden, wenn sie eingeschnappt ihre Meinung zu einem Gesetzentwurf unberücksichtigt wähnen. Dahin, wo mit anderen Fraktionen um Posten und Pöstchen gerungen wird. Da, wo eine Schaufel Kohle mehr oder weniger über Erfolg oder Misserfolg einer Landesregierung entscheidet. „Der Uli“, sagt ein Parteifreund, ist „kein Mann fürs rhetorische Ballett. Der nimmt den Vorschlaghammer. Das ist einer, der sich die Hände schmutzig machen muss“.

Seit Wochen sind die Hände des Parlamentarischen Geschäftsführers dreckig. Seit Mitte Oktober verstrickt sich der Spitzen-Grüne in einem Netz aus Unwahrheiten, eigenwilligen Interpretationen und Mauscheleien.

Auslöser dafür ist die so genannte Gutachtenaffäre. In der hatte der frühere Vorsitzende der NSU-Enquetekommission, Willi Halder (Grüne), bei der Landtagsverwaltung ein juristisches Gutachten in Auftrag gegeben. Es sollte klären, ob Ermittler vor dem Gremium überhaupt und dann auch noch öffentlich aussagen dürfen. Die Stellungnahme leitete Halder zwar an Parteifreunde weiter, nicht aber an die übrigen Parteien der Enquete. Sckerl versorgte Halder und weitere Grüne dann mit einer Sprachregelung. Mit der sollte verschleiert werden, dass die Grünen insgeheim an Veränderungen des Gutachtens arbeiteten.

Die gab Sckerl am 9. Oktober in Auftrag. Zuvor hatte er um 18.42 Uhr mit einer Mail Halder gestoppt, das Gutachten vier Tage später, am 13. Oktober, der Öffentlichkeit vorzulegen. Linie des Enquete-Chefs sei es gewesen, die Stellungnahme erst seinem Gremium, dann der Presse zu übergeben. Wenn er das aber wolle, müsse er die Tagesordnung für die Enquete ändern. „Wollt Ihr das?“, fragt er unterstellend seine Mail-Partner Halder, den Grünen-NSU-Obmann und die Fraktionsjuristin. Halder rudert zurück: „Der Hinweis mit der Tagesordnung ist wichtig“, kabelt er 39 Minuten später und kommt zum Schluss: „Also Denkpause.“

Die will Sckerl nicht ungenutzt verstreichen lassen. Um 21.37 Uhr setzt er nach. Die Denkpause, fordert er von Halder, solle der nutzen „um zu klären: Forderst Du als Vorsitzender weitere Nachbesserungen?“ Und die Fraktionsjuristin weist er an, sie „möge sich dazu Gedanken machen“. Die Rechtsgelehrte, die nach dem grünen Wahlerfolg 2011 zunächst ins Staatsministerium von Ministerpräsident Winfried Kretschmann wechselte und dann in die Grünen-Fraktion zurückkehrte, lieferte am nächsten Tag um 13.21 Uhr: Das Gutachten der Landtagsverwaltung habe ergeben, dass Ermittlungsbeamte in der Öffentlichkeit angehört werden dürfen, wenn sie den Datenschutz beachten. „Diese Nachbesserung ist wichtig für uns“, freut sich die Advokatin – wohl wissend, dass die anderen Fraktionen zu diesem Zeitpunkt noch auf die Stellungnahme warten.

Die Juristin empfiehlt, die Bewertung ihrer Landtagskollegen in einem Punkt nachzubessern. Sagen Polizisten außerhalb ihrer Behörde aus, muss dies ein Vorgesetzter genehmigen. Ein Punkt, der aus der Sicht der Grünen nicht zufriedenstellend in dem Gutachten geklärt ist: „Beamtenrechtliche Aussagegenehmigung – das ist die Kernfrage. Das Gutachten ist in diesem Punkt nicht nachgebessert worden“, schreibt die Juristin. Und legt damit zumindest nahe, dass das Gutachten bereits zu einem früheren Zeitpunkt nachgebessert werden sollte oder sogar verändert worden ist. Mit einer Anregung schließt sie ihre E-Mail: „Vorschlag: die Formulierung des Ergebnisses auf Seite 28/29 muss nachgebessert werden“.

Sckerl hat bislang vehement bestritten, auch nur Einfluss auf das Gutachten nehmen zu wollen. „Es gab am 10. Oktober weder den Versuch noch die tatsächliche Einflussnahme“, beschwor er vergangenen Donnerstag die Abgeordneten des Landtages. In einem Interview mit dem „Rhein-Neckar-Blog“ versicherte er am 4. November: Halder habe „noch Aufklärungsbedarf“ gehabt. Rechtsfragen seien für den Buchhändler offen gewesen. Zumal er kein Jurist ist. Sckerl hingegen habe das Gutachten nur „unter Verschluss genommen und damit nicht gearbeitet“. Vergangene Woche stritt Sckerl auch den Arbeitsauftrag an seine Beraterin ab. Unserer Zeitung sagte er: „Meine Frage nach den ‚Nachbesserungen’ ging an Willi Halder. Die Mitarbeiterin hatte ich schon am 6. Oktober beauftragt, eine Zusammenfassung anzufertigen.“

Die wesentlichen Passagen der E-Mails wie auch Sckerls Aussagen in Interviews und in seiner Landtagsrede können Sie hier nachlesen.