Als „belastend“ sieht es der Gutachter an, wenn in der Region Stuttgart durch ein Diesel-Fahrverbot rund 300 000 Eigentümer von Euro-4- und Euro-5-Fahrzeugen betroffen wären Foto: dpa

Neue Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge mit Grüner Plakette in Stuttgart „enteignen“ viele Bürger und sind nicht zulässig. So lautet eine Rechtsexpertise im Auftrag des Arbeitgeberverbandes Südwestmetall.

Stuttgart - In einer 20-seitigen Rechtsexpertise im Auftrag des Arbeitgeberverbandes Südwestmetall hält der Stuttgarter Rechtsprofessor Christofer Lenz neue Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge mit grüner Plakette in Stuttgart für nicht mit dem Recht vereinbar und unzulässig. Solche Maßnahmen könnten Verwaltungsbehörden erst ergreifen, „wenn der bundesrechtliche Rahmen durch den Bundesrechtssetzer“ geändert worden sei. Das sei aber noch nicht der Fall und die Exekutive dürfe ohne gesetzliche Ermächtigung „keine belastenden Handlungen“ vornehmen.

Als „belastend“ sieht es der Gutachter allerdings an, wenn in der Region Stuttgart durch ein Diesel-Fahrverbot rund 300 000 Eigentümer von Euro-4- und Euro-5-Fahrzeugen betroffen wären. Da Deutschland eine geringe Quote an Immobilieneigentümern aufweise, habe der Besitz eines Privat-Pkws für die Bürger eine hohe Bedeutung. Es handele sich für viele „um die wertvollste Sacheigentumsposition“. „Nutzungsverbote für dieses Eigentum verändern dessen Gehalt und vernichten den vermögensmäßigen Wert dieses Eigentums zumindest teilweise.“

Bundesrechtliche Schutz der Diesel mit grüner Plakette sei „abgesichert“

Das Gesamtvolumen der Entwertung von Eigentum dürfte allein in der Region Stuttgart bei einer Milliarde Euro liegen, meint der Gutachter. Dieser Wert werde schon erreicht, wenn man eine durchschnittliche Wertminderung von 3000 Euro pro Diesel-Auto zugrunde lege.

Detailliert setzt sich der Rechtsprofessor mit der „bewussten Entscheidung“ des Bundesgesetzgebers auseinander, Fahrzeuge mit roter und gelber Plakette aus den Umweltzonen auszuschließen und die mit grüner Plakette – also auch Diesel-Fahrzeuge – zu belohnen, also ihnen „die maximalen Benutzervorteile“ zu gewähren. Der bundesrechtliche Schutz der Diesel mit grüner Plakette sei „abgesichert“ durch Regelungen in der Straßenverkehrsordnung, dem Bundesimmissionsschutzgesetzt sowie der Bundesimmissionsschutz-Verordnung, die alle eine Differenzierung bei der grünen Plakette ausschließen. „Der Bund hat eine belastbare Vertrauensgrundlage für Investitionsentscheidungen in Kfz geschaffen und er hat an ihr bis heute festgehalten“, sagt Lenz.

Urteil des Stuttgarter Verwaltungsgerichts wird als widersprüchlich eingestuft

Auch einen „trickreichen Einsatz von anderen Verkehrszeichen“ durch einen Luftreinhalteplan, indem man eine Vielzahl von Straßen sperrt und damit faktisch Fahrverbotszonen schafft, hält Lenz für nicht zulässig. Das bringe ein umfassendes Zufahrtsverbot, mit dem man Diesel trotz grüner Plakette im Stuttgarter Talkessel vom „restlichen Verkehrsnetz der Bundesrepublik“ trenne.

Mit dem Urteil des Stuttgarter Verwaltungsgerichts vom 28. Juli, das sich für Fahrverbote ausgesprochen hat, setzt sich das Gutachten kritisch auseinander. Es sei widersprüchlich und habe eine „innovative Auffassung“. Das Urteil wende Recht nicht an, sondern erfinde es. „Die beteiligten Richter haben wie Rechtssetzer gehandelt“, kritisiert Lenz. „Aber auch eine richterliche Rebellion schafft keine Ermächtigungsgrundlage für ein belastendes Handeln durch eine Landesbehörde.“ Inhaltlich geht die Expertise – die sich auf eine Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts stützt, da die schriftliche Urteilsbegründung noch nicht vorliegt – vor allem auf den Punkt Gesundheitsschutz ein. Das Gericht habe ja zutreffend erkannt, dass sich aus dem Grundgesetz ein Schutzauftrag für das Leben und die Gesundheit der Menschen ergeben könne. Die Richter hätten allerdings übersehen, „dass mit der Erfüllung der Schutzpflicht verbundene Eingriffe in die Rechter dritter trotzdem einer gesetzlichen Grundlage bedürfen“.

Zum weiteren Procedere gibt das Gutachten dem Land einen klaren Fingerzeig: Es möge in die Berufung am Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg gehen. Die Berufung sei der ebenfalls zugelassenen Sprungrevision beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig vorzuziehen, denn dort wäre man an die „tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts Stuttgart“ gebunden und die beruhten „nicht auf ausreichender Sachkunde“. Die Mannheimer Richter aber können neue Sachverhalte prüfen, und da gebe es ja zum Thema Nachrüstung von Diesel-Motoren eine recht dynamische Entwicklung, sagt Lenz.