Rumeysa Gelgi (24) mit ihren Eltern: Wegen ihrer Größe wurde sie oft verspottet, aber ihre Familie hat sie nie versteckt. Foto: dpa/Guinness World Records

Rumeysa Gelgi ist 2,15 Meter groß. Laut Guinnessbuch der Rekorde ist sie die größte Frau der Welt. Ihre neue Bekanntheit will sie nutzen, um anderen Außenseitern Mut zu machen.

Istanbul - Als Kind wurde Rumeysa Gelgi häufig verspottet, heute muss sie Mobbing im Internet aushalten. Die 24-jährige Türkin aus Safranbolu am Schwarzen Meer ist wegen einer seltenen genetischen Störung seit ihrer Geburt ungewöhnlich groß. Sie konnte nie eine Schule besuchen und kann heute nur mit Gehhilfe laufen, doch unterkriegen lässt sie sich nicht. Mit einer Körpergröße von 2,15 Meter und Schuhgröße 51 wurde Gelgi vom Guinnessbuch der Rekorde jetzt zur größten Frau der Welt erklärt.

Gelgi will ihre Bekanntheit nutzen, um anderen Menschen, die aus der gesellschaftlichen Norm fallen, Mut zu machen: „Nehmt euch an, so wie ihr seid“, sagt sie – ein ungewöhnlicher Aufruf in einem Land, in dem Menschen mit körperlichen oder geistigen Behinderungen oft versteckt werden.

Ihre Erkrankung hat einen Namen

Gelgi leidet am sogenannten Weaver-Syndrom, einer genetischen Erkrankung, die ein überstarkes Körperwachstum auslöst. Nach eigenen Angaben ist sie die erste Türkin mit dem Syndrom; auf der ganzen Welt gibt es demnach nur 27 Fälle. Schon als Kleinkind musste Gelgi häufig operiert werden, erst mit fünf Jahren lernte sie laufen, brauchte aber von Anfang an eine Stütze. Dank medizinischer Eingriffe hat sie ihre Krankheit heute so weit unter Kontrolle, dass sie damit umgehen kann: „Ich wachse nicht mehr“, jubelt sie auf ihrer Internetseite. „Mein Zustand ist stabil.“

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Ihre Eltern sorgten dafür, dass Rumeysa zu Hause unterrichtet wurde. Ihre Schuhe sind orthopädische Spezialanfertigungen, ihre Kleider muss sie aus Amerika kommen lassen, wie sie der Zeitung „Sabah“ sagte. Meistens sitzt sie im Rollstuhl und musste sich mit Hilfe eines Gehgestells aufrichten, um von einer Gesandten des Guinnessbuches gemessen zu werden. Während der Coronapandemie bildete sie sich per Online-Fernkurs zur Web-Designerin aus.

Gelgi betont, dass ihre Eltern sie nie zu Hause wegsperrten, sondern regelmäßig mit ihr Ausflüge machten. „Statt mich unter eine Glasglocke zu stellen, haben sie mich unter die Leute gebracht“, sagte sie „Sabah“. Von Menschen in ihrer engsten Umgebung habe sie nie ein gehässiges Wort gehört.

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Vielleicht ist es dieser Erziehung zu verdanken, dass sie heute eine selbstbewusste junge Frau ist, die zu ihrem Körper steht. „Ich habe mich noch nie als ‚Kranke‘ gefühlt“, sagt sie. Gelgi beschreibt sich stattdessen als „besonderes, außergewöhnliches und auserwähltes Individuum“. Als eines ihrer Hobbys nennt sie Restaurantbesuche mit Freunden und Verwandten. „Meine Familie hat mich immer unterstützt und ist stolz, dass ich diesen neuen Titel habe“, sagte Gelgi in einem Video des Guinnessbuch-Verlages.

Behinderung gilt oft noch als Schande

Das ist nicht selbstverständlich für die Türkei. Weil eine Behinderung oft als Schande oder gar als Strafe Gottes empfunden wird, verstecken viele Familien ihre körperlich oder geistig behinderten Verwandten. Nach Schätzung des Behindertenverbandes EyDer leben bis zu neun Millionen Menschen mit körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen in der Türkei. Das wäre mehr als jeder zehnte Türke, doch auf den Straßen türkischer sind selten Behinderte zu sehen.

Deshalb war es ein Tabubruch, als vor zehn Jahren die Politikerin Safak Pavey ins türkische Parlament gewählt wurde. Pavey, die bei einem Zugunglück ihren linken Arm und ihr linkes Bein verloren hatte, dachte nicht daran, sich zu verstecken. Auch Gelgi will Menschen Mut machen. „Anders zu sein, ist nicht so schlecht“, sagt sie in dem Video. „Man kann eine Behinderung in einen Vorteil verwandeln.“