In der SSB-Zentrale in Möhringen hat sich der Vorstand vom bisherigen Leiter der Abteilung Zentrale kaufmännische Services getrennt. Foto: Alexandra Böttinger

Die Stuttgarter Straßenbahnen AG wird mit der fristlosen Kündigung eines früheren Prokuristen vielleicht nicht durchkommen. Der Arbeitsrichter deutete an, dass vielleicht erst eine Abmahnung fällig wäre, falls der Mann Pflichten verletzt haben sollte. Die Entscheidung lässt auf sich warten.

Stuttgart - Die Chefs der Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) müssen damit rechnen, dass sie ihren freigestellten Finanzchef nicht so einfach loswerden – zumindest nicht mit der fristlosen Kündigung, der sie ebenfalls im Mai noch eine ordentliche Kündigung folgen ließen. Am Freitag kreuzten die Parteien erstmals vor dem Arbeitsgericht die Klingen. Der Ausgang des Verfahrens sei offen, sagte Arbeitsrichter Niki Sänger, nachdem zuvor sein Vergleichsvorschlag gescheitert war: ordentliche Kündigung zum Jahresende und Abfindung in Höhe von eineinhalb Monatsgehältern, also 15 525 Euro.

Das lehnte die Klägerseite ab, weil sie jegliche Fehler des bisherigen Abteilungsleiters bestreitet, der Gekündigte sich nicht etwa die Taschen füllen wolle, sondern er eine Art öffentlicher Ehrenerklärung will. Sonst würde er sich auf dem Arbeitsmarkt künftig schwertun, da die unbegründeten Vorwürfe in die Öffentlichkeit lanciert worden seien.

Erst Anfang 2020 kann verhandelt werden

Da der Richter eine Elternzeit antritt, ist ein Prozesstermin erst für den 22. Januar anberaumt. Bis dahin sollen die Anwälte besser darlegen, ob der Arbeitgeber die zuständige Personalvertretung ordnungsgemäß anhörte – und ob die fristlose Kündigung zeitgerecht erfolgte. Danach werde auch zu überlegen sein, sagte der Richter, ob der Arbeitgeber zu Recht zum härtesten Mittel, der fristlosen Kündigung, griff – falls überhaupt eine Pflichtverletzung vorliegt. Es spreche manches dafür, dass auch Mitarbeiter in höheren Positionen erst abgemahnt werden müssten.

Der Arbeitgeber wirft seinem bisherigen Finanzchef grobes Fehlverhalten bis hin zu einer möglichen Existenzgefährdung der SSB vor. Er habe einen Auftrag an das Beratungsunternehmen KPMG mit einer Summe von 469 000 Euro vergeben und dabei eine interne Richtlinie missachtet: Dafür seien Unterschriften von zwei Vorstandsmitgliedern nötig. Zudem wäre bei dem Volumen eine EU-weite Ausschreibung erforderlich gewesen. Der Mann, dem die SSB 2017 Gesamtprokura gegeben hatte, habe außerdem dem Aufsichtsrat falsche und zuletzt immer noch nicht komplett korrigierte Zahlen für die Finanzplanung 2019 bis 2022 geliefert. Wegen Fehlern in Berechnungen habe er auch die Gefahr eines Verfahrens gegen die SSB wegen etwaiger Verletzung des EU-Beihilferechts heraufbeschworen.

Kläger fordert eine Ehrenerklärung von den SSB-Chefs

Die Klägerseite hält voll dagegen. Die Auftragsvergabe sei aufgrund eines Vorstandsbeschlusses erfolgt, den Auftrag habe immerhin ein Vorstandsmitglied unterschrieben. Man habe damals angenommen, dass das Volumen letztlich unter der fraglichen Wertgrenze bleiben könnte.

Die Beauftragung von KPMG sei naheliegend gewesen, habe die Firma doch schon zuvor in einer ersten Expertise 32 Risiken innerhalb der SSB aufgezeigt. Gerade der Gekündigte, so sein Anwalt, habe seit seinem Eintritt in die Firma vor solchen Risiken gewarnt. Manche für die Finanzplanung wichtige Zahlen seien ihm gar nicht, sehr spät oder falsch geliefert worden.

Diese Argumente sind vor dem Hintergrund dessen bedeutsam, was sich in den vergangenen Monaten abspielte: Im Dezember steigerte sich das Defizit der SSB, das für 2018 mit 26,3 Millionen Euro geplant war, plötzlich auf rund 35 Millionen Euro. Dass er daran schuld sein soll, will der Finanzchef nicht auf sich sitzen lassen. Darüber werden die Parteien bis Januar vielleicht noch einmal reden. Der Richter gab ihnen auf, einen außergerichtlichen Vergleich zu suchen.