Umweltfreundlicher als auf der Straße: Containertransport auf dem Binnenschiff Foto: dpa

Das Transportaufkommen mit Quelle oder Ziel in Baden-Württemberg wird bis zum Jahr 2025 auf 13 Millionen Tonnen ansteigen. Das entspricht einer Zunahme um 67 Prozent seit 2010. Um einen Kollaps auf den Straßen zu vermeiden, setzt die Landesregierung auf Bahn und Binnenschiff.

Stuttgart - Kombinierter Verkehr (KV) heißt das Stichwort, das die teilweise Verlagerung des Güterverkehrs vom Lkw auf die umweltfreundlicheren Verkehrsmittel Bahn und Binnenschiff meint. Dabei wird das Transportgut in genormten Ladungsbehältern wie Containern oder Wechselaufbauten auf die Reise geschickt. Der größte Teil der Strecke – der sogenannte Hauptlauf – wird per Bahn oder per Binnenschiff zurückgelegt, nur auf den ersten und letzten Kilometern (Vor- und Nachlauf) kommt ein Lkw zum Zug. Die Ware bleibt auf der ganze Route im selben Container.

Die Europäische Union hat sich zum Ziel gesetzt, 30 Prozent des Straßengüterverkehrs über eine Strecke von 300 Kilometern und mehr bis 2030 auf andere Verkehrsträger zu verlagern. So steht es im Weißbuch der EU-Kommission aus dem Jahr 2011. Erste Fortschritte gibt es bereits. Im internationalen Verkehr verzeichnete der KV in den vergangenen Jahren Zuwachsraten. „Während sich der Güterverkehr EU-weit langsam auf die umweltfreundlichen Verkehrsträger Binnenschiff und Güterbahn verlagert, wächst in Deutschland weiterhin der Lkw-Verkehr. Das ist eine traurige Fehlentwicklung“, kritisiert Dirk Flege, Geschäftsführer des Bündnisses Allianz pro Schiene.

Binnenschiffe und Güterbahnen haben in der EU von 2007 bis 2012 ihren Marktanteil um 0,9 Prozent ausgebaut und kommen zusammen auf einen Marktanteil von 25,5 Prozent, während ihr Anteil in Deutschland im selben Zeitraum um ein Prozent sank.

Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) will nun ebenfalls die Kapazitäten von Bahn und Containerschiffen optimal nutzen und hat deshalb ein Gutachten in Auftrag gegeben, welche Rahmenbedingungen das Land schaffen muss, damit die Wirtschaft stärker auf den KV abfährt. Erste Ergebnisse liegen jetzt vor. So müssen bis 2025 die Umschlagkapazitäten im Land deutlich erhöht werden, um die erwarteten Mengen bedienen zu können.

Für den Großraum Stuttgart war dies bereits bekannt durch eine Untersuchung von Tobias Bernecker, Professor an der Hochschule Heilbronn. Er hat die Terminalstandorte Plochingen, Reutlingen und Eutingen im Gäu (Kreis Freudenstadt) grundsätzlich als geeignet bewertet und deren Ausbau zur Prüfung empfohlen. So soll etwa der Plochinger Hafen den Standort Stuttgart ergänzen. Bis 2025 – so die Prognose – werden in der Landeshauptstadt 80 000 Ladeeinheiten mehr als 2010 abgefertigt. Dafür müsste die Größe des Stuttgarter Terminals verdoppelt werden. Weil das nicht möglich ist, sollen 33 000 Ladeeinheiten in Plochingen abgewickelt werden.

Der Stuttgarter und der Plochinger Hafen – nur 20 Kilometer voneinander entfernt – sollen dann eine Einheit bilden. Dafür könnte im Plochinger Hafen das Sicherheitsbecken aufgefüllt werden, was 16 000 Quadratmeter zusätzliche Fläche brächte. Verkehrsminister Winfried Hermann sagt, Plochingen sei bei seinem Bemühen um ein leistungsfähiges Terminal auf einem guten Weg – ebenso Reutlingen und Eutingen.

Allein in der Region Stuttgart könnten bis 2025 durch die Verlagerung von Gütern auf Bahn und Schiff 3,2 Millionen Lkw-Fahrzeugkilometer eingespart werden. Doch es gibt landesweit Handlungsbedarf. Wurden im Jahr 2010 noch 580 000 Ladeeinheiten im Kombiverkehr von und nach Baden-Württemberg transportiert, so sollen es 2025 1,1 Millionen Ladeeinheiten pro Jahr sein.

Eine Herausforderung für die Planer ist der Umstand, dass es noch zusätzliche 806 000 Ladeeinheiten pro Jahr für Schiene oder Wasserstraße jährlich geben würde, wenn sich die Rahmenbedingungen ändern würden. Bisher scheitert der Kombiverkehr bei rund 350 000 Einheiten, weil es noch kein konkurrenzfähiges Angebot zum Lkw gibt. Rund 387 000 Ladeeinheiten werden nicht als Kombiverkehr abgewickelt, weil es keinen KV-Operateur für den gewünschten Hauptlauf Bahn oder Schiff gibt. Und 69 000 Einheiten können nicht verlagert werden, weil kein passendes Terminal vorhanden ist.

So will die Landesregierung auch in der Fläche für mehr leistungsfähige Terminals sorgen. Laut Gutachten müssen in Oberschwaben und in der Ortenau Umschlagterminals entstehen, für beide Standorte prüft das Verkehrsministerium, ob ein wirtschaftlicher Betrieb möglich wäre. Das Terminal Heilbronn könnte allein mit dem Potenzial der Region Heilbronn-Franken wirtschaftlich arbeiten, wird von den Gutachtern aber auch als Entlastungsterminal für den Raum Stuttgart gesehen. Wer in Terminals investiert, erhält 90 Prozent Zuschüsse vom Bund.

Doch selbst wenn alle Rahmenbedingungen stimmen, liegt es an den Unternehmen, ob der Wechsel stattfindet. Minister Hermann erwartet von der Wirtschaft eine positive Einstellung zum Kombiverkehr: „Die Industrie muss in stärkerem Maße bereit sein, die Angebote von Güterbahn und Binnenschiff auch anzunehmen.“ Um voranzukommen und standortübergreifende Probleme zu lösen, regte Hermann ein Forum aus Güterverkehr, Kombiverkehr und Logistik an.