Feinkost für den Kommissar: Reinhard Löffler (r.) überreicht seinem Brüsseler Parteifreund etwas zum Schnabulieren. Foto: Georg Linsenmann

Günther Oettinger war zu Gast in Stuttgart-Zuffenhausen. Er äußerte Verständnis für syrische Flüchtlinge, zeigte sich deprimiert und kämpferisch zugleich und empfahl obendrein, sich eher am FC Bayern als am VfB zu orientieren.

Zazenhausen - Dass der Ex-Ministerpräsident und EU-Kommissar in zweiter Auflage „immer ein bisschen später kommt“, das kenne er von seinem CDU-Kollegen, meinte der Landtagskandidat Reinhard Löffler zum wartenden Saal. Tatsächlich hat der Mann aus Brüssel „einen eng getakteten Terminplan“, wie Claus-Peter Schmid von der Ortsgruppe Zazenhausen betonte. Also sparte sich Oettinger in der gut besetzten Halle des TV Zazenhausen das Vor- und Nachspiel, das Löffler und dem CDU-Bundestagsmitglied Karin Maag oblag, die das dann auch mit gut geübter Routine erledigten.

 

Aber fürs Zündende war eh Oettinger gedacht. Wer sich davor einen Kick geben wollte, für den lagen Glückskekse parat, im Sonnenauf- oder Sonnenuntergangs-Orange der Partei-Kampagne für die in drei Wochen anstehende Landtagswahl. Für Löffler war Oettinger selbst natürlich der Glückskeks des Tages, der wohl auch mit der Erwartung anzog, geballte politische Leidenschaft zu bieten. Nebst der einen oder anderen knalligen Pointe. Erwartungen, die Oettinger denn auch voll erfüllte.

Demografie und digitale Revolution seien die großen Baustellen

Gut gelaunt griff er den Hinweis aus der Begrüßung auf, dass er im Oberschwäbischen mit der „Goldenen Schwarzwurst“ ausgezeichnet wurde. Er sei gewillt, die „stundenlange Prozedur wahrzunehmen“. Die Flinte aber, mit der er jüngst in fantasierter selbstmörderischer Absicht Aufsehen erregt hatte, ließ er nun im Waffenschrank. Gleichwohl trieb ihn auch in Zazenhausen „die Frau P. von der Partei A“ um. Womit er Aspekt Nummer eins seines Redethemas „Baden-Württemberg und Europa am Scheideweg“ mit Hinweis auf den prognostizierten Wahlerfolg der Rechtspopulisten auf den Punkt brachte: „Da könnte man depressiv werden.“

Baden-Württemberg brauche „eine handlungsfähige Regierung, denn die nächsten fünf Jahre werden nicht einfach“. Das Land befinde sich „auf dem Höhepunkt seiner wirtschaftlichem Leistungskraft“, die Frage aber sei: „Wie bleiben wir vorn?“

Dabei machte Oettinger „zwei große Baustellen“ aus: „Die Demografie und die digitale Revolution.“ Zum Ersten empfahl er, sich „im Kontrast zum VfB, wo Trainer öfters als Trikots gewechselt werden“, sich „am stabilen Hoch des FC Bayern“ zu orientieren: „Innovation, bessere Infrastruktur, Bildung und die Förderung Hochbegabter“. Außerdem eine „längere Lebensarbeitszeit bis 70“.

Oettinger hat Verständnis für syrische Flüchtlinge

Zum Zweiten beschrieb er die „digitale Überlegenheit der Amerikaner“. Diese ziele „ins Herz der deutschen und süddeutschen Industrie“. Die junge Generation werde „eher in ein Apple-Auto als fahrendes Smartphone als in eine Kiste mit dem Stern steigen“. Es bestehe „Lebensgefahr für die deutsche Industrie“. „Digitale Kompetenz“ zu entwickeln, sei „zwingend nötig“, sonst drohe „der Todesstoß“: „Wir müssen bei der Infrastruktur die Giga-Byte-Gesellschaft im Blick haben.“ Günther Oettingers Motto: „Lieber Schlaglöcher als Funklöcher!“

So wenig wie Reinhard Löffler und Karin Maag kam der Kommissar am Thema Flüchtlinge vorbei, wobei er mit Vehemenz für „eine europäische Lösung und die Zusammenarbeit mit der Türkei warb“. Gelinge das nicht, würden Grenzen geschlossen. Die Folge: „Verlust an Lebensqualität und Riesenverluste für die Wirtschaft.“ Verständnis zeigte er vor allem für Flüchtlinge aus Syrien: „In Aleppo gab es schon ein Bildungsbürgertum, als wir Schwaben noch auf den Bäumen gehockt sind und gegrunzt haben. In deren Situation heute würden wir das Gleiche tun.“

Für die frei gehaltene Rede, die das Publikum eine knappe Stunde in Bann zog, gab es rauschenden Beifall – und Kulinarisches aus einer schwäbischen „Feinkost“-Tüte, ein vakuum-verpackten Ring Schwarzwurst inklusive.