Günter und Jürgen Schweikardt (re.) bei einem Spiel des TV Bittenfeld im Jahr 2010: Der Austausch zwischen Vater und Sohn ist auch in veränderten Rollen beim TVB Stuttgart immer noch intensiv. Foto: Baumann

Der TVB Stuttgart steht in der Handball-Bundesliga glänzend da. Der Sportliche Leiter Günter Schweikardt spricht über die Erfolgsfaktoren und beantwortet auch die Frage: War sein Sohn Jürgen schon immer ein Machertyp?

Stuttgart - Günter Schweikardt hat den Weg des TVB Stuttgart von der Landes- bis in die Bundesliga wesentlich geprägt. Inzwischen ist sein Sohn Jürgen als Trainer und Geschäftsführer das Gesicht des Erstligisten. Vor dem Auswärtsspiel an diesem Sonntag (13.30 Uhr) bei der SG Flensburg-Handewitt spricht der 72-Jährige über die Entwicklung des Vereins und seine Perspektiven.

Herr Schweikardt, machen Sie sich eigentlich manchmal Sorgen um Ihren Sohn Jürgen?

Warum?

Weil die Doppelrolle als Trainer und Geschäftsführer irgendwann an die Substanz gehen könnte.

Ach, der Jürgen ist ein gesunder, junger Mann, der ein sehr gutes Team um sich herum hat, das ihm in den jeweiligen Bereichen einiges abnimmt. Er steckt diese hohe Belastung gut weg.

Aber gerade in diesen Corona-Zeiten gibt es oft doch auch kurzfristig viel Gesprächsbedarf.

Es stimmt schon, dass das außergewöhnliche Zeiten sind, die natürlich auch ihn besonders fordern. Wenn beispielsweise kurzfristig eine Videokonferenz mit den Geschäftsführer-Kollegen der Liga anberaumt wird, muss das Training schon mal um eine Stunde verschoben werden. Aber die Mannschaft legt derzeit so erfrischende Auftritte hin – ich spüre förmlich wie viel Freude Jürgen die Arbeit macht.

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Wie sieht eigentlich Ihre Rolle konkret aus?

Ich bin einer von fünf Gesellschaftern, als Sportlicher Leiter bin ich für den gesamten Bereich Sport, vor allem für die Organisation des Nachwuchsbereichs zuständig.

Aus dem operativen Geschäft der Bundesligamannschaft...

... halte ich mich weitgehend raus, aber selbstverständlich stimme ich mich mit Jürgen und auch Michael (Anm. d. Red.: der jüngere Sohn ist fürs Scouting beim TVB zuständig) regelmäßig ab.

Wie oft sitzt die Familie Schweikardt mit Kindern und Enkeln zusammen beim Mittagessen?

In Corona-Zeiten ist man etwas vorsichtiger. Im Normalfall kommt das zweimal in der Woche vor oder auch mal nur einmal im Monat. Der Vorteil ist, wir wohnen alle in Bittenfeld. Aber wenn es um den Handball geht, ziehen sich Jürgen, Michael und ich lieber ins Büro zurück (lacht).

War Jürgen schon immer ein Macher-Typ?

Er war schon immer sehr zielstrebig. Was er sich vorgenommen hat, hat er durchgezogen.

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Auch in der Schule?

Er hat nach der Realschule die Fachhochschulreife gemacht, eine kaufmännische Lehre bei Siemens absolviert und BWL studiert. Er ist die Dinge schon immer sehr strukturiert angegangen.

Und Michael, der aktuell den Drittligisten TSB Horkheim trainiert?

Ist der ruhigere Typ. Er weiß auch, was er will, und bringt ebenso eine hohe soziale Kompetenz mit.

Sie haben beide Söhne selbst trainiert.

Ja, aber Michael ging recht früh in die Bundesliga zu Frisch Auf und später zur MT Melsungen. Nach seinem Weggang aus Bittenfeld sind meiner Mannschaft um Jürgen weitere Aufstiege gelungen, was kein Zufall ist.

Warum?

Weil Jürgen nicht der einzige Spieler war, der schon in jungen Jahren mit anpackte, der kritisch, aber konstruktiv Dinge hinterfragt hat, neue Ideen einbrachte. Viele dieser Spieler arbeiten inzwischen auch sehr erfolgreich im Beruf. Da gehört Mario Hoppe dazu. Oder Marc Bürkle, der ältere Bruder von Balingens Bundesligatrainer Jens Bürkle.

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Sie haben den Verein als Trainer von der Landesliga in die zweite Bundesliga geführt. Jetzt steht das Team mit 11:5 Punkten in der Bundesliga auf Platz drei. Müssen Sie sich manchmal kneifen?

Also, dass wir jetzt so weit oben stehen, ist sicher eine Momentaufnahme. Doch in welcher Art und Weise sich das Team – ohne Jogi Bi tter – nach der klaren Niederlage beim HC Erlangen im folgenden Heimspiel gegen Hannover präsentiert hat, war schon beeindruckend. Aber grundsätzlich haben wir diese Entwicklung nicht geschenkt bekommen. Wir musste unglaublich viel Aufbauarbeit leisten, da wir sportlich viel weiter waren als strukturell. Und da kamen von Jürgen schon ganz wesentliche Impulse.

Was sind die wichtigsten Erfolgsfaktoren?

Unsere Talente, der riesige Zusammenhalt und die Kontinuität, die im Verein herrscht.

Die Wurzeln nach Bittenfeld haben Sie nie gekappt...

...und das wird ganz sicher auch so bleiben.

Aber der Bekanntheitsgrad in Stuttgart hält sich in Grenzen?

Mit dem Fußball können wir uns nicht messen. Der VfB und die Kickers haben zudem eine ganz andere Tradition. Aber in einer 600 000-Einwohner Stadt haben auch wir eine Chance, und wir tun viel dafür, unseren Bekanntheitsgrad zu steigern, indem wir auch mit Vereinen und Schulen kooperieren. Es gibt nicht viel attraktive Standorte in Deutschland, als Stuttgart. Die Wirtschaftskraft, die Infrastruktur – alles passt sehr gut.

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Haben Sie Frisch Auf Göppingen den Rang als Nummer eins in Württemberg schon abgelaufen?

Göppingen ist eine kleinere Stadt als Stuttgart, hat aber eine riesige Handball-Tradition und Frisch Auf konnte im vergangenen Jahrzehnt viermal den EHF-Pokal gewinnen. Das darf man nicht vergessen, auch wenn Erfolg immer Vergangenheit ist. Es gibt so viele Handballer im mittleren Neckarraum – da kommen zwei Bundesligisten doch prima miteinander klar. Wer da als Nummer eins gilt, ist zweitrangig. Wir tun jedenfalls gut daran, den Ball flach zu halten.

Sie waren 1972 als Spieler mit Frisch Auf Göppingen deutscher Meister. Können Sie sich als Sportlicher Leiter den Titelgewinn mit dem TVB vorstellen?

(Lacht) Jetzt machen wir einfach mal weiter und spielen Handball.

Und gewinnen am Sonntag bei der SG Flensburg-Handewitt?

Das ist ein Spiel wie gemalt für uns. Wir reisen mit viel Selbstbewusstsein, als Tabellendritter, zum haushohen Favoriten und haben nichts zu verlieren. Aber Sie dürfen versichert sein: Der Blick für die Realität ist bei uns immer vorhanden.

Aber ein bisschen mehr als der Klassenverbleib darf es nach diesem Traumstart schon sein?

Gegen einen einstelligen Tabellenplatz hätten wir auch nichts einzuwenden.

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