Das Gebäude in der Karlstraße ist verwaist – schwer vorstellbar, dass hier demnächst der Schulbetrieb aufgenommen wird. Foto: Bäßler

Schon im zweiten Jahr scheitert eine Gülen-nahe „Bildungsinitiative Blautal“ mit dem Versuch, in Ulm den Unterrichtsbetrieb zu starten. Es gab Zweifel an den Schulcurricula. Das Bedauern der Stadtverwaltung hält sich in Grenzen.

Ulm - In gut zwei Wochen beginnt im Land das neue Schuljahr, doch in einem Gebäude in der Ulmer Karlstraße, in das sich eine „Bildungsinitiative Blautal“ eingemietet hat, ist kein Mensch zu sehen. Wer die Telefonnummer der Schulinitiatoren wählt, landet in der Sprachbox. Dabei sollte hier demnächst ein türkisches Privatgymnasium eröffnen. Aber seit zwei Jahren verweigert das Regierungspräsidium (RP) Tübingen die Genehmigung. Es gebe da „noch mehrere Baustellen“, sagt ein Sprecher, ohne auf Einzelheiten einzugehen.

Von Dezember 2014 datiert der erste Behördenantrag der Bildungsinitiative, deren Mitglieder weitgehend unbekannt sind, auf Genehmigung einer Schule mit dem Titel „Alpha Privatgymnasium Ulm“. Doch schon mit dem Schulstart 2015 wurde es nichts. Als Grund wurden notwendige Änderungen an den Schulcurricula genannt. Im März sagte der designierte Schulleiter Ulrich Schmidt-Arras auf Anfrage noch, der Antrag sei „wegen kleinerer handwerklicher Fehler“ verweigert worden, für den aktuellen Schulstart sei alles Nötige erledigt worden. Wohl eine Fehleinschätzung: Einzelfragen zu Schulcurricula seien immer noch nicht geklärt, sagt der Sprecher des RP. Ein kritischer Punkt ist dem Vernehmen nach die Gestaltung des katholischen und evangelischen Religionsunterrichts. Der Schulgründungsverein hatte eine auch schriftlich formulierte Bitte unserer Zeitung um Stellungnahme dieses Mal unbeantwortet gelassen. Die Stadt Ulm hatte sich dem türkischen Privatgymnasium gegenüber von Anfang an reserviert gezeigt. Am Donnerstag bekräftigte der Leiter der Abteilung Bildung und Sport, Gerhard Semler, diese Haltung: „Natürlich beobachten wir das sehr kritisch.“

Bisher sind keine Lehrer eingestellt worden

Dass das Gymnasium selbst bei einer Blitz-Genehmigung noch starten könnte, glaubt Semler nicht. So viel die Stadtverwaltung wisse, seien bisher keine Lehrer eingestellt worden, und auch interessierte Eltern könnten kaum noch reagieren. Sie müssten Kinder dann unter mancherlei bürokratischer Schwierigkeit ummelden. „Rein faktisch geht das nicht“, so Semler zum Schulstart in zwei Wochen.

Zwei Treffen mit türkischen Vereinsvertretern im Rathaus verliefen offenbar frostig. Der Verein habe sein Konzept vorgestellt, „wir haben das zur Kenntnis genommen“, berichtet Semler. Er habe, sagt er, unter anderem darauf hingewiesen, dass Eltern wahrheitsgemäß aufgeklärt werden müssten. Weil das Gymnasium einzügig hätte starten wollen, hätten Schwierigkeiten mit der Sekundarstufe II nahe gelegen; Schüler hätten dann ab Klasse zehn in Kurse anderer Gymnasien wechseln müssen.

Für den Ulmer SPD-Landtagsabgeordneten Martin Rivoir gehört zur Wahrheit vor allem, die türkischen Initiatoren klar als Gülen-nah zu benennen. Rivoir hält die Ziele der Gülen-Bewegung für „zum Teil nicht mit unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung vereinbar“. Die Landesregierung hatte noch im März ein politisch oder ideologisch begründetes Schulverbot abgelehnt. „Angebliche Verbindungen des Vereins mit der Gülen-Bewegung sind dem Kultusministerium nicht bekannt“, schrieb der damalige Kultusminister Andreas Stoch seinem Parteifreund Martin Rivoir. In einer „Erklärung“ hatte der Verein Anfang 2016 auf seiner Homepage aber eingeräumt: „Richtig ist, dass einige Träger der Schule als Privatperson Werte von Gülen teilen können (...)“. Fragen sind auch zur Finanzierung des Gymnasiums offen geblieben. Laut dem Kultusministerium ist der Aspekt in einem Gespräch beim Regierungspräsidium Mitte Februar auf den Tisch gekommen. Die Rede sei von so genannten „Verpflichtungserklärungen von Privatpersonen“ gewesen, in denen eine finanzielle Unterstützung festgehalten sei. Jedoch: „Die Verpflichtungserklärungen selbst liegen dem Regierungspräsidium noch nicht vor.“ Martin Rivoir sagte diese Woche, er fordere das RP auf, „unter den gegebenen Voraussetzungen die Schule nicht zu genehmigen“.

Mehrere Güel-Privatschulen im Südwesten

Innerhalb Baden-Württembergs sind auf Initiative von Gülen-Anhängern Privatschulen in Böblingen, Freiburg, Karlsruhe, Ludwigsburg, Mannheim und Stuttgart gegründet worden. Deutschlandweit gibt es rund 50 durch das Gülen-Netzwerk finanzierte Privatschulen.

Das Landesamt für Verfassungsschutz sieht keine Grundlage für eine Beobachtung der Organisation. Hinweise auf Bestrebungen, „die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen“, seien nicht zu finden. Allerdings heben die Verfassungsschützer in einem Bericht von 2014 auch hervor: „Die Widersprüchlichkeit des nach außen hin säkularen Auftretens der Gülen-Bewegung und der fehlenden Transparenz bezüglich des nach innen gelebten Islamverständnisses der Bewegung spiegelt sich in der defensiven Haltung der Protagonisten (...) bis hin zur Negierung einer Verbindung zu Gülen und dessen Ideen“.