Vor fünfeinhalb Jahren bezog das Jugend- und Familienzentrum CANN sein Domizil in der Kegelenstraße, bald soll das dahinter liegende Grundstück neu bebaut werden Foto: Thomas Wagner (Archiv)

Braucht Stuttgart das Grundstück an der Elwertstraße in Bad Cannstatt selbst? Und warum kommt nur ein Kaufinteressent zum Zug? Die SPD-Gemeinderatsfraktion übt harsche Kritik am geplanten Verkauf.

Stuttgart - Das Kolping Bildungswerk will weiter expandieren. Nachdem der private Bildungsträger bereits das alte Gebäude der Neckarrealschule an der Willy-Brandt-Straße für mindestens zwei Jahre zur Zwischennutzung für seine Wirtschaftsschulen angemietet und 2013 auch bezogen hatte, streckt es nun erneut die Fühler nach Räumen aus.

In der Hackstraße war Kolping schon erfolgreich: „Dort haben wir Räume für zunächst zwei Jahre angemietet“, bestätigt Klaus Vogt, Vorstand des Kolping-Bildungswerks Württemberg e. V.. Man werde dort Sprachkurse und Berufsvorbereitungsmaßnahmen für Flüchtlinge anbieten. Die ehemalige Hauswirtschaftliche Schule Ost war dort verfügbar.

SPD kritisiert Verfahren als ungerecht

Weil die alte Neckarrealschule nicht als Dauerlösung angesehen wird, hat Kolping weitere Baupläne. Das geht aus einer Gemeinderatsdrucksache hervor, die erstmals am 21. September 2016 im Bezirksbeirat Bad Cannstatt öffentlich behandelt wird. Demnach will Kolping das Grundstück in der Elwertstraße 8 kaufen, „um weitere Bildungsangebote und Ausbildungsstätten zu schaffen“, heißt es in der Vorlage. Klaus Vogt, der bis 2011 fünf Jahre lang Wirtschaftsförderer der Stadt Stuttgart war, bestätigt dies: Wenn die Vorlage im Ausschuss für Umwelt und Technik verabschiedet sei, wolle man mit einem städtebaulichen Wettbewerb starten. Zu Details wolle er sich vor der Bezirksbeiratssitzung nicht äußern, allerdings verweist er auf Verflechtungen mit dem Standort Willy-Brandt-Straße: „Ich gehe davon aus, dass wir bis zum Ende der Baumaßnahmen S 21 dort bleiben können. Dies würde dann mit der Realisierung unseres Neubaus in etwa zusammenlaufen.“

„Es ist schon erstaunlich, dass in jüngster Zeit oft ein und derselbe Bildungsträger zum Zug kommt“, sagt SPD-Stadträtin Marita Gröger, Herr Vogt kennt sicher gute Ansprechpartner im Rathaus.“ Sie führt gleich mehrere Vermietungen und Verkäufe als Beispiel an: die ehemalige Neckar-Realschule und die Hauswirtschaftliche Schule, an denen auch die Volkshochschule (VHS) Interesse hatte, sowie den Verkauf der Villa Scheufelenan Kolping. Und nun soll zudem „eines der letzten Schlüsselgrundstücke in Bad Cannstatt“ verkauft werden, ebenfalls ohne Ausschreibung und obwohl die Raumsituation der VHS und der Musikschule in der Kreuznacher Straße 13 beengt und schwierig sei. „Wir müssen diskutieren, ob wir uns den Verkauf des Grundstücks überhaupt leisten können und ob wir nicht alle Träger gleichermaßen bedienen sollten“, sagt Gröger.

Kita leidet unter Erzieherinnenmangel

Ihre Fraktion werde einen entsprechenden Antrag einbringen, kündigt sie an. Unter anderem, weil die Kita-Plätze in Bad Cannstatt, dem größten Stadtbezirk, seit Jahren knapp bemessen sind. Noch Ende 2015 beurteilte das Jugendamt die Versorgungssituation für Kinder unter drei Jahren als unzureichend; damals fehlten 380 Plätze. Selbst für Drei- bis Sechsjährige reichten die Plätze nicht überall aus. Ein Neubau allein hilft nicht unbedingt. Seit 2012 steht hinterm Kinder- und Familienzentrum CANN an der Elwertstraße die Kita Storchennest mit acht Gruppen. Laut Daniela Hörner vom Jugendamt konnte die Hälfte der Gruppen gar nicht öffnen, weil keine Erzieherinnen gefunden worden seien.

Kolping hat zwölf Bildungseinrichtungen an sieben Standorten in Stuttgart und bedient fast alle Bildungszweige Zuletzt hat die Grundschule zum Schuljahresbeginn 2015/16 in der Villa Scheufelen an der Stafflenbergstraße den Betrieb aufgenommen. Dass in den geplanten Neubau ein Gymnasium einziehen soll, bestätigt das Kolping Bildungswerk nicht. Die bestehende Kita, so ist es in der Drucksache des Gemeinderats dokumentiert, soll bis auf weiteres im Container-Provisorium bleiben und erst ganz zum Schluss in das Bauensemble integriert werden.