Die Stadt Plochingen verkauft Flächen im Baugebiet Stumpenhof-Süd (Bild) für bis zu 540 Euro pro Quadratmeter – das ist achtmal mehr als der Durchschnittspreis im Zollernalbkreis. Foto: Horst Rudel

Die Preise für Grundstücke liegen in Baden-Württemberg unglaublich weit auseinander: Im Zollernalbkreis kostet ein Quadratmeter Boden 66 Euro, in Stuttgart 1284 Euro. Das ist nicht allein mit Angebot und Nachfrage zu erklären.

Burladingen/Stuttgart - Für lärm-, stau- und stressgeplagte Bewohner der Region Stuttgart erscheint das Angebot der Kreissparkasse Zollernalb wie ein Traum: Ein mehr als 700 Quadratmeter großes Grundstück in einem Teilort von Burladingen, schön auf der Schwäbischen Alb gelegen, idyllisch von einem Bach begrenzt, wird dort für unglaublich günstige 32 000 Euro angepriesen. Das sind 45 Euro pro Quadratmeter – im Großraum Stuttgart fände man erstens kaum noch einen Bauplatz dieser Größe und müsste zweitens das Sechs- bis Achtfache dafür bezahlen. Der Preis sei ortsüblich, sagt die Kundenberaterin Elena Schlegel, trotzdem gehe das Grundstück schon seit Längerem nicht weg. Denn die ortskundigen Burladinger denken pragmatisch – erst vor wenigen Jahren war das Killertal von einem schweren Hochwasser betroffen. Direkt an einem Bach will kaum noch einer bauen.

Mit 66 Euro pro Quadratmeter ist der Zollernalbkreis, in dem auch die Stadt Burladingen liegt, derzeit der Kreis mit dem billigsten Bauland in ganz Baden-Württemberg. Der Landesschnitt liegt bei 200 Euro, Stuttgart ist natürlich mit großem Abstand am teuersten. Das ist zwar nur eine Momentaufnahme; dieser Preis basiert auf den tatsächlich getätigten Grundstücksverkäufen im vierten Quartal 2015. Doch mit den Landkreisen Tuttlingen, Sigmaringen, Biberach, Ravensburg und dem Main-Tauber-Kreis liegt der Zollernalbkreis fast immer auf den hinteren Rängen – oder auf den vorderen, je nach Sichtweise. Interessenten freuen sich schließlich, da sie beim Kauf etwa eines 500 Quadratmeter großen Grundstücks rund 100 000 Euro sparen, wenn sie in Hechingen statt etwa in Nürtingen bauen.

Dynamischer Landkreis und dennoch billige Preise

Silke Schwenk, die Geschäftsführerin der Wirtschaftsförderung des Zollernalbkreises, freut sich über die geringen Baulandpreise nicht ganz so sehr – denn diese sind immer auch ein Indiz für mangelnde Nachfrage und für mangelnde Attraktivität der Region. Dabei versteht sie das Verhalten vieler Menschen selbst nicht so ganz. Im Kreis seien viele „hidden champions“ beheimatet, also Unternehmen mit Weltmarktführerschaft, die Alb biete unberührte Natur, die Kriminalitätsraten seien gering – und trotzdem zögen immer mehr Menschen weg in die Stadt.

Seit 2003 hat der Kreis knapp 5000 Einwohner verloren, das sind 2,5 Prozent. Insgesamt tut sich der ländlich strukturierte Raum also schwer; die Ballungszentren werden trotz aller Probleme immer attraktiver. Und das Bauland immer teurer.

Aber so ganz lassen sich die Grundstückspreise nicht allein mit dem Prinzip von Angebot und Nachfrage erklären. Der Landkreis Tuttlingen etwa gilt als äußerst dynamisch, besitzt viele Arbeitsplätze in der Medizintechnik, hat mit 2,6 Prozent eine marginale Arbeitslosenquote, wurde bei einem Wirtschaftsvergleich des Magazins „Focus“ auf den 9. Rang von 402 Kreisen gewählt, die Einwohnerschaft hat seit 2003 leicht zugenommen – und trotzdem sind die Baulandpreise äußerst günstig. Aber grundsätzlich gilt natürlich: Im ländlichen Raum ist Land noch viel leichter verfügbar, Baugebiete sind zahlreich. Im Kreis Sigmaringen etwa nimmt die Siedlungs- und Verkehrsfläche 9,9 Prozent der Fläche ein, im Kreis Böblingen 22,6 Prozent.

Landesregierung befindet sich in Zielkonflikt

Ottmar H. Wernicke von Haus & Grund Baden-Württemberg ist deshalb überzeugt, dass auf dem Land die Infrastruktur schnell ausgebaut werden muss, um mehr Menschen anzuziehen – das bedeutet für ihn vor allem leistungsstärkere Straßen und bessere Internetverbindungen. Das sei auch deshalb dringend, weil seit Jahren viel zu wenige Wohnungen gebaut würden und unterm Strich die Nachfrage nicht befriedigt werden könne. Noch 1994 wurden rund 94 000 Wohnungen fertiggestellt – 2014 waren es 33 000. „In den Ballungszentren können sich deshalb Busfahrer, Krankenschwestern oder alleinerziehende Mütter schon heute keine Wohnung mehr leisten“, sagt Wernicke.

Die Landesregierung befindet sich dabei aber in einem klassischen Zielkonflikt. Einerseits will sie den Bau von Wohnungen forcieren, andererseits verfolgt sie das politische Ziel, möglichst wenig Fläche zu versiegeln. Gerade in den Ballungsräumen ist Natur bereits ein rares Gut. Jährlich werden derzeit etwa 1935 Hektar für neue Häuser und neue Straßen überbaut. Das entspricht zwar nur 0,05 Prozent der Landesfläche, doch würde man so weitermachen, wäre in einem Jahrtausend ganz Baden-Württemberg versiegelt.

Im bundesweiten Vergleich liegt Baden-Württemberg (200 Euro/Quadratmeter) übrigens nach Bayern (227 Euro/Quadratmeter) und Hessen (210 Euro/Quadratmeter) an dritter Stelle. Günstig ist das Bauland in allen fünf ostdeutschen Bundesländern (zwischen 41 und 69 Euro/Quadratmeter), aber auch Niedersachsen und das Saarland bieten mit 80 Euro Quadratmeterpreis noch recht günstigen Boden. In Berlin zahlte man im vierten Quartal 2015 im Schnitt 551 Euro für einen Quadratmeter baureifes Land.