Gerd Wedler (rechts) kommt regelmäßig in den Laden von Hüseyin Gürsel. Foto: Stefanie Käfferlein

Das Grundstück am Knappenweg 53 soll verkauft werden. Das bedeutet für den einzigen Supermarkt im Dachswald wohl, dass der schließen muss. Der Supermarkt wird seit 2006 von Hüseyin Gürsel geführt.

Stuttgart-Vaihingen - Für Gerd Wedler steht fest: „Funktionsfähige Strukturen in sozialer und verkehrspolitischer Hinsicht müssen der Stadt etwas wert sein.“ Wedler und zahlreiche andere Anwohner haben die Sorge, dass im nächsten Jahr der einzige Supermarkt im Dachswald schließen muss. Der Grund: Die Grundstückseigentümer – zwei Brüder, die im Dachswald aufgewachsen sind, aber längst nicht mehr in Stuttgart wohnen – wollen das Grundstück verkaufen. Ihre Schwester, die dritte Eigentümerin, die bis zuletzt in dem Haus am Knappenweg wohnte, ist vor einigen Monaten verstorben. „Wir wollen nicht, dass wir unseren beliebten Lebensmittelladen verlieren“, sagt Wedler, der seit 1972 im Dachswald wohnt.

Der kleine Supermarkt wird seit 2006 von Hüseyin Gürsel geführt. Mit seiner Frau und den zwei Kindern wohnt der Pächter im Obergeschoss. Immer pünktlich habe er die Miete für den Markt und die Wohnung bezahlt. „In den vergangenen Jahren habe ich viel Geld in den Laden – für die Zukunft – investiert“, berichtet Gürsel. Auf Bestellung beliefert er auch die älteren Menschen im Stadtteil, die nicht mehr gut zu Fuß sind. Die Bürger aus dem Dachswald gehen in seinem Geschäft ein und aus. Man kennt sich, man grüßt sich mit Namen. „Das Einkaufen bei Herrn Gürsel ist einfach noch persönlich“, sagt beispielsweise Sigrid Krüger und ergänzt: „Er hat tolle Waren und geht immer auf die Wünsche der Kunden ein.“ So sieht es auch Barbara Mäule. Sie lobt die Vielfalt der Waren auf der kleinen Fläche und freut sich, dass immer Bioprodukte im Sortiment sind.

„Ein Schlag ins Gesicht“

Gürsel betont, dass die Pläne der Eigentümer für ihn, aber auch für die Bürger bitter seien. Die alten Menschen seien auf das Geschäft angewiesen. Auch für Gürsels Nachbar, Andreas Philipp, ist die Nachricht vom geplanten Verkauf, wie er sagt, „ein Schlag ins Gesicht“ gewesen. „Für jemanden, der selbstständig ist, ist eine solche Nachricht aber existenzbedrohend“, so Philipp. Ebenfalls betroffen ist die kleine Poststelle. Der Friseur, so Gürsel, zieht mit seinem Geschäft nach Büsnau.

Einen Alternativstandort für den Supermarkt gibt es laut Gerd Wedler nicht. „Das ist baurechtlich so eine Sache“, sagt Wedler. Denn die meisten Gebiete seien als reine Wohngebiete ausgewiesen. Mit einem offenen Brief hat er sich nun an den Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn gewandt. Von verschiedenen Bürgern sei Wedler, wie er berichtet, darum gebeten worden.

Verlust für die Bürger

Eine Idee, wie der Markt erhalten werden könnte, hat er gleich mitgeliefert: „Die stadteigene SWSG könnte das Grundstück kaufen“, sagt Wedler. Die Stadt könnte dafür von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen. Während der Baumaßnahme müsste für den Laden eine Interimslösung gefunden werden. Zudem dürfte die künftige Miete nur so hoch sein, dass sie erwirtschaftbar sei. „Dafür wird die Qualität des Wohngebiets erhalten“, sagt Wedler. Dies würde sich auf der anderen Seite in der Bewertung der Grundsteuer positiv bemerkbar machen. Wedler betont, dass auch andere Stadtteile von der „Verarmung der Versorgungsstruktur“ betroffen seien. Vor allem in kleineren Wohngebieten sei die städtebauliche Aufgabe von großer Bedeutung. „Es gibt nichts besseres, als ein zufriedenes Wohngebiet“, sagt Wedler.

Dass der Wegfall des Geschäfts einen Verlust für die Bürger bedeutet, kann Karl-Heinz Ohr, einer der beiden Eigentümer, nachvollziehen. Aus Altersgründen und der räumlichen Distanz wegen „sehen wir uns aber gezwungen, das Gebäude zu verkaufen“. Auf Anfrage bestätigt Ohr, dass er derzeit mit seinem Bruder auf der Suche nach einem Investor sei. Die Mieter seien darüber informiert. Das Haus, in dem die Eltern einst den Lebensmittelladen aufgebaut hatten, sei dringend renovierungsbedürftig. „Im ganzen Haus hat noch keine energetische Sanierung stattgefunden“, sagt Ohr. Mit den Mieteinnahmen können die Besitzer gerade so ihre Kosten decken. „Wir nehmen lediglich die Miete“, sagt Ohr. Die Inhaber unterhalten die Außenanlagen und zahlen die Gebäudeversicherung sowie die Grundsteuer selbst.

Der Erhalt des Ladens, so schätzt es Ohr ein, sei schon allein deshalb schwierig, weil ein Investor – so er denn überhaupt eine Ladenfläche einplant – sie wohl nicht zu den bisherigen Preisen vermieten könnte.