Für die Grundsteuer im Land zählt bald nur noch der Bodenwert, nicht die Bebauung. Das hat Folgen – nicht alle sind erwünscht. Foto: dpa/Jens Büttner

Die Grundsteuerreform im Land kommt voran. Die Bürger brauchen trotzdem noch viel Geduld. Wie viel sie ab Neujahr 2025 zahlen, entscheidet sich vielleicht sogar erst danach.

Die Finanzämter im Land haben bei der Grundsteuerreform zuletzt rasante Fortschritte gemacht. Vier Millionen Grundsteuerwert- und Grundsteuermessbescheide sind laut Angaben des Finanzministeriums in Stuttgart bis Silvester ausgestellt worden. Das entspricht 84 Prozent. Einen Monat vorher waren es noch 3,6 Millionen und sieben Prozent weniger. Das hat der langjährige Finanzexperte der CDU-Landtagsfraktion Tobias Wald gegenüber unserer Redaktion erklärt. Er hat kurz vor seinem Ausscheiden aus dem Landtag Ende November bei den Finanzbehörden noch einmal nachgefragt, wie weit es ist mit der Reform.

 

Wie hoch die Steuerlast für jeden Grundbesitzer wird, entscheidet sich erst, wenn die Kommunen ihre neuen Hebesätze festlegen. Die Finanzbehörden liefern mit ihren Bescheiden lediglich die Grundlage dafür. Laut Tobias Wald wollen die Behörden nach wie vor „Mitte des Jahres 2024“ so weit sein, dass alle Kommunen den Hebesatz neu festsetzen können.

Transparenz ist plötzlich unerwünscht

Beim Beschluss der Grundsteuerreform hatten Bundes- und Landesregierungen sowie die kommunalen Spitzenverbände zugesagt, die Umsetzung aufkommensneutral zu gestalten. Doch wegen des steigenden Finanzbedarfs in Städten und Gemeinden wackelt dieses Versprechen. Die kommunalen Spitzenverbände gehen seit einiger Zeit davon aus, dass die Grundsteuer mancherorts doch mehr Geld als bisher einbringen soll.

Tobias Wald pocht für solche Fällen auf Transparenz: Jeder Bürger soll erkennen können, welcher Anteil der künftigen Steuerlast der Reform und welcher Anteil anderweitigem Finanzbedarf geschuldet ist. Deshalb hat Wald sich vom Finanzministerium noch einmal bestätigen lassen, dass „bis Mitte des Jahres entsprechende Informationen für die Bürger im Internet“ veröffentlicht werden. Die kommunalen Spitzenverbände im Land haben daran allerdings wenig Interesse. Patrick Holl, Experte beim Gemeindetag, hält ein Transparenzregister für unnötig. Die Gemeinden seien in der Lage, die Hebesätze bei ausreichender Datenlage „ohne weitere Umrechnungshinweise seitens des Ministeriums“ zu berechnen, betont er. Der Städtetag lehnt derartige Informationen gleich rigoros ab. Ob Aufkommensneutralität eingehalten werde oder nicht, sei Sache der Kommune, heißt es dort. „Der Städtetag lehnt daher ein solches Register auch grundsätzlich ab, da es nicht geeignet ist, die Diskussion vor Ort um die Festsetzung des Hebesatzes zu versachlichen“, so der Verband auf Anfrage.

Bürger, die wissen wollen, was sie ab 2025 zahlen müssen, müssen sich noch ziemlich mit Geduld wappnen. Beide Verbände betonen, dass der Hebesatz notfalls sogar erst im Lauf des nächsten Jahres festgesetzt werden kann – dann gilt er rückwirkend ab Jahresbeginn. Der Städtetag erwartet, dass „die meisten Städte den Hebesatz erst im Herbst beschließen“. Patrick Holl vom Gemeindetag betont, dass die Stadtkämmerer nicht nur eine ausreichende Zahl von Messbescheiden aus ihrer Kommune benötigen, um das Aufkommen der neuen Grundsteuer zuverlässig berechnen zu können. Darüber hinaus müssten auch die „Strukturen vor Ort hinreichend repräsentiert“ sein, betont er.

Unwucht zugunsten von Firmengrundstücken

Bei dieser sperrigen Formulierung klingt an, dass es bei der Grundsteuerreform zu Lastenverschiebungen zwischen Gewerbe- und Wohngebäuden kommt. Besonders stark zum Tragen kommt dieser Effekt in kleinen und mittleren Kommunen. „Wenn beispielsweise in einer mittelgroßen Gemeinde ein bis zwei größere Bescheide von Gewerbebetrieben fehlen, kann dies bereits maßgebliche Unterschiede in der Kalkulation des potenziellen Hebesatzes hervorrufen“, erläutert Patrick Holl.

Das Problem existiert bundesweit. Der Deutsche Städtetag hat im Städtefinanzbericht 2023 dargelegt, dass es bei der Grundsteuerreform zu Belastungsverschiebungen zwischen Wohn- und Gewerbeimmobilien kommt, und den Ländern mehr oder weniger nahegelegt zu prüfen, „ob die Messzahlen beziehungsweise Wertzahlen in den verschiedenen Grundsteuermodellen angepasst werden“.

Ob es in Baden-Württemberg zu Korrekturen der Systematik kommt, ist bisher noch nicht Gegenstand von Diskussionen. Allerdings ist es eigentlich das erklärte Ziel des Landesgrundsteuergesetzes, Grundstücke mit Wohnbebauung gegenüber anders genutzten Immobilien zu privilegieren. Diesem Ziel laufen die beschriebenen Lastverschiebungen zuwider. Von Bau- und Steuerexperten in kleineren Städten im Land sind solche Sorgen deshalb schon seit Längerem zu hören. Wenn eines der wenigen Unternehmen in einem kleineren Ort mit vergleichsweise wertvollem Firmensitz bei der neuen Grundsteuer entlastet werde, weil allein das Grundstück, nicht aber das Gebäude den Ausschlag für die Besteuerung gebe, seien die Folgen klar, meint der Chef eines Stadtbauamtes. „Diese Mindereinnahmen können nur aus einer Quelle ausgeglichen werden: Besitzer von Grundstücken mit Wohnbebauung müssen mehr bezahlen.“

Hintergrund

Reform
Fällig wird die neue Grundsteuer ab 2025. In Baden-Württemberg mussten allein fast sechs Millionen Grundstücke im Zusammenhang mit der Reform neu bewertet werden.

Vorgeschichte
Notwendig geworden ist die Grundsteuerreform durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2018, das die alte Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt hat. 2019 hat die Bundesregierung eine Neuregelung erlassen – mit einer Öffnungsklausel, damit die Länder eigene Regelungen treffen können. Das die grün-schwarze Landesregierung genutzt und ein eigenes Landesgrundsteuergesetz erlassen.