Besigheim, Freudental und Gemmrigheim: Alle drei Kommunen nehmen mehr mit der Grundsteuer ein als vorgesehen – zumindest auf den ersten Blick. Foto: Werner Kuhnle

Gestiegene Grundsteuer-Hebesätze in Besigheim und Freudental: Warum liegen die Kommunen über dem empfohlenen Korridor des Finanzamts und bedeutet das für die Bürger? Ein Rechenbeispiel.

Zum Jahr 2025 hin haben deutsche Kommunen ihre Grundsteuer-Hebesätze angepasst. Das alte System, so die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht, sei verfassungswidrig, weil es gleichartige Grundstücke unterschiedlich behandele.

 

Die Kommunen bestimmen über ihre Hebesätze eigenständig, sind aber dazu angehalten, die Steuerpflichtigen nicht übermäßig zu belasten. Das Finanzministerium hat dafür eine Tabelle veröffentlicht, in der jede Kommune ablesen kann, bis wann der Hebesatz noch aufkommensneutral wäre – das bedeutet mit welchem Hebesatz die Einnahmen der Kommune auch nach der Reform ungefähr gleich bleiben. Die Angaben im Transparenzregister sind ein Anhaltspunkt, keine verpflichtende Vorgabe.

Unsere Zeitung hat nun recherchiert, inwieweit sich die Kommunen am Transparenzregister orientiert haben. Welche Städte und Gemeinde liegen darüber – und was bedeutet das konkret für die Bürger?

Freudental

Die knapp 2500-Einwohner-Gemeinde Freudental unterhalb des Strombergs hat einen Hebesatz von 305 Prozentpunkten festgelegt und liegt von den Kommunen im Landkreis mit 12,5 Prozent am weitesten von dem Korridor des Finanzministeriums entfernt. „Die Gemeinde hatte seit 2004 den Hebesatz nicht mehr angepasst und in dieser Zeit viel Geld in die Verbesserung der kommunalen Infrastruktur investiert“, sagt Bürgermeister Alexander Fleig.

Bereits seit 2022 habe man über eine Erhöhung diskutiert – sich dann aber bewusst dazu entschieden, dies erst mit der Grundsteuerreform zu machen – „eine frühere Erhöhung, wie dies viele andere Kommunen in den letzten Jahren dann bereits getan haben, wäre dann „aufkommensneutral“ gewesen.“ Die Steuereinnahmen durch die Grundsteuer steigen in Freudental in diesem Jahr um 50 800 Euro.

Für den Bürger ergibt sich daraus eine überschaubare Erhöhung – je nach Bodenrichtwert. Laut einer Beispielrechnung sind das für Besitzer eines Grundstücks mit 400 Quadratmetern und einem Bodenrichtwert von 290 Euro pro Quadratmeter – der beispielsweise für das Gebiet südwestlich des Schlossparks festgesetzt wurde – 37 Euro mehr, im Vergleich zur Rechnung mit einem Hebesatz der Obergrenze von 271 Prozent.

„Die Beschwerden waren recht gering – wir haben vielmehr Verständnis für unsere Entscheidung der ‚Mehreinnahmen’ bekommen“, sagt Bürgermeister Fleig. Die Widersprüche hätten sich größtenteils auf das Verfahren der Reform bezogen.

Besigheim

Besigheim liegt mit seinem Hebesatz von 509 Prozentpunkten ähnlich weit über dem aufkommensneutralen Korridor. „Die Haushaltslage und die Perspektive im Haushalt haben zumindest kurzfristig keine andere Lösung gebracht“, sagt Kämmerer Roland Hauberer. Man habe ein Defizit von weit über vier Millionen Euro ausgleichen müssen. Von übergeordneten Stelle habe es den deutlichen Hinweis gegeben, dass alles getan werden müsse, um diese Schieflage abzufangen. „Es ist richtig, dass die Empfehlung aufkommensneutraler Hebesätze das Ziel sein sollte“, sagt Hauberer. Besigheim hätte das auch nicht anders eingeplant. „Aber nach allem Hin und Her hatten wir keine andere Wahl, um einen genehmigungsfähigen Haushalt zu präsentieren.“

Ein kleines Rechenbeispiel zeigt, was das für die Bürgerinnen und Bürger Besigheims bedeutet. Besitzer eines Grundstücks mit 400 Quadratmetern und einem Bodenrichtwert von 350 Euro pro Quadratmeter zahlen 70 Euro mehr, im Vergleich zur Rechnung mit einem Hebesatz, der bei der Obergrenze von 454 Prozent liegen würde. Das Portal Boris liefert Auskunft über den Bodenrichtwert, der sich in Besigheim zwischen 230 und 525 Euro pro Quadratmeter bewegt.

Auch Besigheim geht es wirtschaftlich schlecht und ist auf die Mehreinnahmen durch die Grundsteuer angewiesen. Foto: avanti

Durch die Reform nimmt die Stadt Besigheim künftig mit der Grundsteuer rund 2,9 statt wie im vergangenen Jahr 2,5 Millionen Euro ein. „Die steigenden Ausgaben etwa im Bau wurden stets durch Einsparungen, Optimierungen und Streichungen kompensiert“, sagt Hauberer. Irgendwann sei das Ende der Fahnenstange erreicht.

Gemmrigheim

Gemmrigheim liegt mit seinem Hebesatz von 360 Prozent zwar knapp außerhalb des Korridors – daraus ergeben sich aber kaum Mehreinnahmen. 2025 sind es 8600 Euro mehr als im Vorjahr. Das Landratsamt Ludwigsburg hatte die Gemeinde in seinem Haushaltserlass 2024 darauf hingewiesen, die Erträge deutlich zu steigern – „die Einnahmen sollten wenigstens nicht sinken“, heißt es in der Sitzungsvorlage zur neuen Hebesatzung. „Woher die Diskrepanz des Hebesatzes zum Transparenzregister kommt, haben wir nicht analysiert“, sagt Bürgermeister Jörg Frauhammer.

Bürgermeister Jörg Frauhammer ist seit 2018 im Amt. Foto: Simon Granville

Die Kommunen befinden sich in der Bredouille – kaum eine ist in den finanziell angespannten Zeiten nicht auf die Mehreinnahmen durch die Grundsteuer angewiesen. Bezeichnend dafür ist, dass im Kreis Ludwigsburg keine Kommune einen Hebesatz unter dem Korridor des Finanzministeriums festgelegt hat. Druck kommt von beiden Seiten – vom Landratsamt und Regierungspräsidium, den Schuldenstand nicht in kritische Verhältnisse abrutschen zu lassen, und von den Bürgern, die sich über die angehobene Grundsteuer beschweren.