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51,2 Prozent der Stuttgarter Grundschüler sind 2009 auf ein Gymnasium gewechselt.

Stuttgart - Derzeit werden die Grundschulempfehlungen zugestellt. Im Jahr 2009 sind im Land 40,3 Prozent der Schüler auf das Gymnasium gewechselt. In Stuttgart war die Quote mit 51,2 Prozent überproportional hoch. Noch ist nicht klar, ob die neuen Werkrealschulen an diesem Trend etwas ändern werden.

Spätestens heute bekommen Eltern von Viertklässlern die Grundschulempfehlung für ihr Kind. Ende März stehen dann die Anmeldung an den weiterführenden Schulen an.

Laut Karin Korn, Leiterin des Schulverwaltungsamts, wird es in diesem Jahr spannend. Denn die neuen Quoten der Übertritte werden zeigen, ob sich durch die Einführung der Werkrealschulen - eine Sonderform der Hauptschule, die es Hauptschülern ermöglicht, in einem 10. Hauptschuljahr die mittlere Reife zu erlangen - an der Tendenz der vergangenen Jahre etwas ändert.

Quoten innerhalb Stuttgarts unterscheiden sich extrem

Die Übergangsquoten auf das Gymnasium in Stuttgart haben sich seit dem Schuljahr 2003/04 deutlich erhöht. 2008 sind erstmals mehr als die Hälfte der Schüler nach der Grundschule auf ein Gymnasium gewechselt. Auch im vergangenen Jahr erhielten 51,2 Prozent der Schüler eine Gymnasialempfehlung. Dabei unterscheiden sich die Quoten innerhalb von Stuttgart extrem: Während es auf dem Killesberg Grundschulen gibt, die 100 Prozent ihrer Viertklässler an Gymnasien entlassen, sind es in Cannstatt teilweise nur zehn Prozent.

Gleichzeitig nehmen die Übergänge auf die Hauptschulen merklich ab. Im Jahr 2009 gingen nur noch 22,7 Prozent der Schüler auf eine Hauptschule. Knapp 90 Prozent der Hauptschüler erzielen jährlich den Hauptschulabschluss. Bei den Übergängen auf die Realschulen ist dagegen eine relativ konstante Entwicklung zu beobachten.

Dieser Trend entspricht nicht dem landesweiten: In Baden-Württemberg haben im Jahr 2009 nur 40,3 Prozent der Schüler eine Empfehlung für das Gymnasium erhalten. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Schüler in der Landeshauptstadt so viel schlauer sind als auf dem Land. Laut Erhard Hönes, geschäftsführender Schulleiter der Stuttgarter Gymnasien, haben Hauptschulabgänger im ländlichen Raum schlicht bessere Berufschancen als in einer Großstadt. Deshalb schicken laut Ursula Knauß, stellvertretende Leiterin des Staatlichen Schulamts Stuttgart, manche Eltern in den Landkreisen ihr Kind trotz einer Gymnasialempfehlung auf eine gute - und näher gelegene - Realschule. In Baden-Württemberg entschieden sich 17,1 Prozent der Eltern trotz Gymnasialempfehlung für eine andere Schulart.

"Die überwiegende Anzahl der Empfehlungen trifft ins Schwarze"

Andersherum steigert die Angst, dass ihr Kind schlechte Chancen haben könnte, in der Landeshauptstadt den Wunsch der Eltern, ihr Kind auf ein Gymnasium zu schicken. Es liegt nahe, dass manche Eltern die Grundschullehrer dazu drängen oder sie gar unter Druck setzen, ihrem Kind eine bessere Empfehlung zu geben.

Falls die Vorstellung der Eltern nicht mit der Grundschulempfehlung übereinstimmt, testet eine externe Lehrkraft die Potenziale des Kindes. Etwa 7000 Beratungsverfahren werden jährlich in Baden-Württemberg durchgeführt, nach dessen Abschluss fast ein Viertel der Kinder eine veränderte Empfehlung erhalten. Als dritten Schritt können Eltern ihr Kind zu einer Aufnahmeprüfung anmelden. 2653 Schüler nahmen 2009 daran teil. Dabei erfüllten gut zehn Prozent die Anforderungen für den Übergang auf eine Realschule sowie drei Prozent für den Übergang auf ein Gymnasium.

Andererseits müssen in Stuttgart jedes Jahr rund 150 Gymnasiasten auf die Realschule wechseln. Sind die Empfehlungen für das Gymnasium also oftmals falsch?

Erhard Hönes ist nicht dieser Ansicht. "Die überwiegende Anzahl der Empfehlungen trifft ins Schwarze", sagt er. Das Problem sieht er darin, dass "das Scheitern in der Schule eher eine Frage der Lernhaltung als der Begabung" sei. Deshalb auch wechselten die meisten Schüler nicht in der Orientierungsstufe, sondern erst später, wenn sie mitten in der Pubertät steckten.

Dass die Werkrealschule an dem Trend zur höheren Bildung etwas ändern könnte, glaubt Erhard Hönes nicht. "Die neuen Quoten werden die reinen Realschulen, die Werkrealschulen und die Hauptschulen unter sich ausfechten", sagt er. Doro Moritz, Landesvorsitzenden der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, ist der gleichen Überzeugung. Sie befürchtet, dass sich das neue System gerade auf die Hauptschule, die in der öffentlichen Wahrnehmung schon bisher die schlechteste Schulart war, negativ auswirken wird. "Die bekommt jetzt ein noch größeres Imageproblem."