1,596 Milliarden Euro Grunderwerbsteuer hat Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) 2016 eingenommen. Und es könnte noch viel mehr mehr sein, wenn alle Immobilienkäufer Steuern zahlen müssten.
Stuttgart - Der Immobilienboom wirkt sich positiv auf die Landeskasse aus, auch wenn das Land 2016 bei der Grunderwerbsteuer erstmals einen leichten Rückgang von acht Millionen verbuchen musste. 1,596 Milliarden Euro hat Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) 2016 eingenommen. Die Steuereinnahmen wären wohl noch deutlich höher – gäbe es da nicht ein legales Steuerschlupfloch: Die so genannten Share Deals, die vor allem bei größeren Immobilienverkäufen genutzt werden.
Bei diesen Share Deals kaufen Investoren nicht die Immobilie selbst, sondern Anteile an einer Objektgesellschaft, die ihrerseits eine oder mehrere Immobilien hält und deren Eigentümer bleibt. Wenn sie weniger als 95 Prozent der Anteile erwerben, müssen sie keine Grunderwerbsteuer zahlen.
Neue Regeln erst nach der Bundestagswahl
Auf entsprechende Medienberichte vor einem Jahr hat die Politik reagiert – der hessische Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) brachte in der Finanzministerkonferenz eine Initiative auf den Weg – die für Dezember 2016 geplante Lösung hat sich jedoch verzögert. Erst bei der Finanzministerkonferenz im Oktober soll ein abschließender Bericht vorliegen.
Die von den Finanzministern beauftragte Arbeitsgruppe diskutiere derzeit über zwei Vorschläge, teilte das Stuttgarter Finanzministerium kürzlich auf Anfrage der FDP-Fraktion im Landtag mit. Zum einen eine Absenkung der 95-Prozent-Grenze bei gleichzeitiger Verlängerung der Behaltefrist von fünf Jahren, zum anderen über eine „quotale Besteuerung“. Finanzministerin Sitzmann will die Vorschläge erst nach einer verfassungsrechtlichen Prüfung bewerten. „Für mich bedeutet Steuergerechtigkeit, dass der bestehende gesetzliche Rahmen genutzt, jedoch nicht durch vom Gesetzgeber nicht vorgesehene Gestaltungen missbraucht wird.“
Mit den seit Jahrzehnten geltenden Steuererleichterungen sollte ursprünglich sichergestellt werden, dass bei Firmenübergaben Arbeitsplätze und Investitionen nicht in Gefahr geraten. Doch seitdem die Länder die Höhe des Steuersatzes selbst festlegen können, machen zunehmend auch Immobilienkonzerne, Fonds und Versicherungen davon Gebrauch. Zahlen liegen dem Finanzministerium nicht vor, weil es keine Anzeigepflicht gibt. Der Landesregierung sei aber bekannt, „dass aktiv von Gestaltungsmodellen Gebrauch gemacht wird, um bei großen Immobilientransaktionen Steuern zu sparen“, so das Finanzministerium. Nach Schätzungen aus Bankenkreisen werden etwa ein Drittel der Immobiliengeschäfte über Share Deals abgewickelt.
Familien sollen entlastet werden
Baden-Württembergs FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke fordert „deutliche Korrekturmaßnahmen, damit mehr Spielraum entsteht, um bei Privatpersonen Wohninvestitionen von der Grunderwerbsteuer freizustellen“. Er schlägt einen Freibetrag von 500 000 Euro vor. Auch die Regierungsfraktionen wollen, dass Familien beim Erwerb von Eigentum entlastet werden. Um der Steuergerechtigkeit willen müsse eine bessere Regelung gefunden werden, die aber nicht zu Lasten des Mittelstandes gehen dürfe, sagt Tobias Wald, finanzpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag. „Eine intensive Prüfung ist wichtiger als ein Schnellschuss“. Walds Grünen-Kollegin Thekla Walker erklärte, es sei Ziel der grünen Finanzpolitik, Steuerschlupflöcher zu schließen. „Wir begrüßen deshalb, dass sich eine Arbeitsgruppe der Finanzministerkonferenz des Themas angenommen hat.“
Die Grünen im Berliner Senat haben hingegen schon konkrete Vorschläge: Sie fordern, dass bei Share Deals nur noch 50 Prozent steuerfrei abgegeben werden können. Ihre SPD-Kollegen plädieren für eine Grenze von 75 Prozent. Weil die Verkäufer dann Mitsprache haben, würden Spekulanten gestoppt, argumentieren sie.