Klaus Schnaidt (li.) und Michael Ernst wollen mehr Grün in Stuttgart. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Gärtnerische Hobbyvereine und Berufsverbände aus Stuttgart und der Umgebung haben sich zusammen getan, um in der Landeshauptstadt politisch Einfluss zu nehmen und Lobbyarbeit zu betreiben.

Stuttgart - Man stelle sich vor, Pflanzen könnten sprechen. Sie würden kein Blatt vor den Mund nehmen und nicht durch die Blume sprechen. Vielmehr würde ein Chor an Stimmen nach mehr Grün in Stuttgart schreien und Parolen gegen Sparzwänge auf Kosten der Grünflächen schmettern. Denn nur, wer laut schreie, der werde gehört. So sei das in einer Demokratie, sagt Gärtnermeister Klaus Schnaidt aus Fellbach.

Aber Stuttgart gilt doch gemeinhin als grüne Stadt: „Ja, das stimmt schon, aber da geht noch mehr“, sagt Schnaidt. Doch er fürchtet, dass die „Sparzwänge“, die es bundesweit gebe, noch weiter um sich greifen und das „Sterben der Grünflächen“ auch in Stuttgart zunimmt. Als negative Beispiele nennt er den Rosensteinpark, das Tal der Rosen auf dem Killesberg, „wo die Brennnessel mannshoch stehen“, und den Leibfriedschen Garten, der „verkommt“. Schnaidt ist mit dieser Sorge nicht allein.

„Wir wollen uns Gehör verschaffen“

Doch Pflanzen haben keine Stimme. Sie sind still. So wie auch die, die ihnen ihre Stimme leihen könnten: „Gärtner sind meist eher ruhige Menschen“, sagt Schnaidt. Doch das soll sich nun ändern. „Wir wollen zwar nicht plötzlich anfangen, laut zu schreien“, sagt Michael Ernst, Leiter der Staatsschule für Gartenbau in Hohenheim, „aber wir wollen uns mehr Gehör verschaffen.“ Und das gehe nun einmal am besten gemeinsam.

Deshalb gibt es mit Gärtnern für Stuttgart eine Initiative, die sich dafür einsetzt, dass Stuttgart grüner wird: Gärtnerische Hobby-Vereine haben sich mit Berufsverbänden zusammen getan, um sich für gemeinsame Interessen stark zu machen. Dazu zählen der Bezirksverband der Gartenfreunde Stuttgart, die Junggärtner Baden-Württemberg, der Kreisverband der Obst- und Gartenbau-Vereine Stuttgart, die Staatsschule für Gartenbau, der Obstbauring, die Stuttgarter Regionalgruppe für Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau sowie die Kreisgruppe Rems-Murr im Gartenbauverband Baden-Württemberg-Hessen.

Man sieht sich als grünen Stammtisch

Die Vernetzung dieser Gruppen war denn auch der erste große Schritt, den es zu bewältigen galt: „Wir mussten uns beschnuppern, um zu sehen, wo die Schnittmengen sind“, sagt Ernst. Offiziell trat Gärtnern für Stuttgart erstmals an der Gartenmesse im April in Erscheinung, das erste Treffen hatte bereits im Juli 2016 stattgefunden. Die Profi- und Hobbygärtner, die teils aktiv, teils im Ruhestand sind, wollen kein Verein mit den typischen Vereinsstrukturen sein, sondern sehen sich eher als grünen Stammtisch.

Die Synergieeffekte will man zwar auch nutzen, um etwa gemeinsame Feste zu organisieren – aber allein damit gibt sich die Initiative nicht zufrieden. Schließlich ist man sich seiner Durchschlagskraft bewusst: „Insgesamt haben wir in Stuttgart sicher 20 000 bis 30 000 Mitglieder“, sagt Ernst. Ziel sei es, in der Landeshauptstadt politisch Einfluss zu nehmen und Lobbyarbeit zu betreiben. Ernst nennt ein Beispiel dafür: „Da Stuttgart im Wachstum begriffen ist, konkurrieren Bebauungs- und Grünflächen. Deshalb möchten wir künftig ein kompetenter Ansprechpartner sein, wenn Flächen neu gestaltet werden.“ Doch ist das nicht Aufgabe des Garten-, Friedhofs- und Forstamts? Ernst nickt. Ja, das besagte Amt habe ähnliche Kompetenzen, aber es habe eben nur bestimmte Möglichkeiten im Rahmen seiner Dienstverpflichtung. „Wir sind freier“, sagt Schnaidt. „Aber wir wollen mit der und nicht gegen die Verwaltung arbeiten.“

Denn letztlich sei das Hauptziel, die Lebensqualität in Stuttgart zu erhalten und zu steigern. Und dies sei nicht nur wegen des Sparzwangs schwierig. Vielmehr gebe es immer weniger Leute, die sich engagieren. Besonders der Hobbybereich sei von einer starken Überalterung betroffen. Das liege daran, dass es heute andere Lebensentwürfe gebe: Besonders jüngere Menschen würden sich eher dem Urban Gardening zuwenden, das „kurzfristiger angelegt“ sei.

Obwohl die Initiative dem Urban Gardening offen gegenüber stehe, wolle man auch selbst neue Wege gehen, um Nachwuchs zu gewinnen. Schulgärten seien dabei wichtig, zudem denke man mit dem Bürgeramt in Untertürkheim über einen Weinbau-Lehrpfad nach, um Schülern zu zeigen, wie der Traubensaft in die Flasche kommt. „Wir müssen für die Kinder mehr Berührungspunkte mit dem Grün schaffen“, sagt Ernst.

Auch Pflanzen in Balkonkästen können Feinstaub filtern

Da kann ein Balkonkasten ein Anfang sein. Und, so fügt Ernst nicht ohne Süffisanz hinzu: „Nicht nur eine Mooswand kann Feinstaub filtern, sondern auch Pflanzen in Balkonkästen“. Deshalb sei der Einsatz von Gärtnern für Stuttgart für mehr Grün in Stuttgart auch einer gegen Feinstaub.

Am 8. Juli von 9 bis 18 Uhr findet im Lehr- und Versuchsbetrieb der Staatsschule für Gartenbau, Filderhauptstraße 169-171, ein Tag der offenen Tür statt.