Ministerpräsident Winfried Kretschmann auf dem Grünen-Landesparteitag in Aalen Foto: dpa

Der Grünen-Landesparteitag zeigt, wie angespannt das Verhältnis zu Koalitionspartner SPD ist.

Aalen - Das Symbol der Grünen ist bekanntlich die Sonnenblume. Beim Landesparteitag am Wochenende in Aalen war sie unübersehbar. Aber eines wurde auch erkennbar: Das Verhältnis mit dem Koalitionspartner SPD ist alles andere sonnig.

Das Motto des ersten Grünen-Landesparteitags nach dem Triumph der Landtagswahl ist eindeutig. "Mitmachen, mitreden, mitentscheiden" steht da in großen Lettern über der Bühne in der Stadthalle von Aalen. Davor sitzen die Damen und Herren des Tagungspräsidiums und wechseln sich in der Leitung des zweitägigen Treffens so oft ab, als spiele man Reise nach Jerusalem. Das fröhliche Rotieren soll offenbar zeigen, dass wirklich jeder mitmachen darf. Gemeinsamkeit ist Trumpf, lautet die Botschaft. In der Regierungskoalition mit der SPD kann davon keine Rede sein. Und so kann der Parteitag, in dem die Grünen noch einmal auf ihren "epochalen Erfolg bei der Landtagswahl" zurückblicken, wie es Ministerpräsident Winfried Kretschmann formuliert, nicht darüber hinwegtäuschen, dass es nach der selbst erklärten Liebesheirat inzwischen unzählige Zerwürfnisse gibt.

Das beginnt bereits mit Rainer Stickelberger. Der SPD-Justizminister ist Gastredner auf dem Parteitag und keilt gegen die eigene Partei. Später legt er nach. Er spricht von einem "vielstimmigen Orchester, in dem nicht jedes Instrument gut gestimmt ist und die lauten Töne gedrosselt werden müssten". Gemeint sind wohl SPD-Landeschef Nils Schmid und Landtagsfraktionschef Claus Schmiedel, die zuletzt immer wieder Position gegen die Grünen bezogen hatten. Stickelberger sagt, dass er sich bei den Grünen "wohlfühlt" und Kretschmann über alle Maßen schätzt: "Sie sind der Garant für den Zusammenhalt dieser Koalition."

Unmut über die SPD

Der zweitägige Parteitag in Aalen liefert eine Fülle weiterer Belege dafür, dass das Verhältnis zwischen den Ehepartnern SPD und Grünen derzeit eher angespannt als entspannt ist. Da tritt Marcel Emmerich, der Landesvorsitzende der Grünen Jugend, ans Mikrofon und sagt: "Der Herr Gall ist noch nicht angekommen in der Koalition. Er repräsentiert die Politik des Abgehörtwerdens", wettert Emmerich und erteilt allen Überlegungen des SPD-Innenministers zur Vorratsdatenspeicherung eine Absage. Und auch "den Haudrauf Schmiedel", der so vehement für das Milliardenprojekt Stuttgart 21 kämpfe und die Blockaden der Demonstranten kritisiert hatte, nimmt sich Emmerich vor: "Weiß der eigentlich, wer sein Koalitionspartner ist?" Dieser Stil sei "unerträglich". Der Saal jubelt.

Emmerich freilich bleibt nicht der Einzige, der seinen Unmut über die SPD öffentlich preisgibt. Auch Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer und Finanzminister Nils Schmid müssen herhalten. Im Foyer, wo ein Gemüseallerlei auf Kartoffeln für zehn Euro serviert wird, werden beide abgekanzelt. Die Kultusministerin, weil "sie offenbar ihrem Amt nicht gewachsen ist", wie es einer mit Blick auf die aktuellen Debatten um neue Bildungsreformen umschreibt. Und der Finanzminister, weil er "sein Ministerium nicht im Griff" habe, wie es ein Grünen-Politiker formuliert.

Nicht wenige Sonnenblumenträger nehmen es Schmid zudem noch immer übel, dass er mit CDU-Landtagsfraktionschef Peter Hauk gemeinsame Sache bei Stuttgart 21 machen wollte. Wie gereizt die Stimmung geworden ist, macht Grünen-Landtagsfraktionsvize Andrea Lindlohr deutlich: "Wer Benzin im Blut hat, hat wenig Sauerstoff im Hirn." Es ist eine Anspielung an frühere Aussagen von Schmid, wonach Baden-Württemberg das Land der Autobauer bleibe. So wogt die Stimmung während des Parteitags zwischen Selbstzufriedenheit über die Tatsache, dass man die CDU nach 60 Jahren von der Regierung vertrieben hat, und scharfer Abgrenzung zum Koalitionspartner SPD.

Von den Piraten lernen

Aber reicht das, um fünf Jahre und länger zu regieren, wie man es gerne hätte? Fakt ist: Es gibt genügend Probleme und Themen vor der eigenen Parteitür. "Die Piraten werden ein ernstzunehmender Akteur in der politischen Landschaft", warnt ein Redner und fordert Konzepte, wie man mit der neuen politischen Kraft umgeht: "Wir sollten von der Piratenpartei lernen, um wieder mehr Jungwähler für uns zu gewinnen."

Und auch in der Regierungsarbeit werden die Grünen nach dem Megathema Stuttgart 21 und der Volksabstimmung in Sachfragen gefordert sein. Zum Beispiel bei der Frage nach einem Endlager für Atommüll. Eigentlich war das für die Grünen stets ein Antithema, nun muss man sich als Regierungspartei an der bundesweiten Standortfindung beteiligen. "Auch in Baden-Württemberg darf nach einem Endlager gesucht werden", meint die Bundestagsabgeordnete Sylvia Kotting-Uhl überraschend ehrlich. Es sei eine "gesamtgesellschaftliche Aufgabe, den Atommüll zu entsorgen".

Die SPD dürfte es genauso sehen. Aber von einem prima Klima, um Probleme zu lösen, ist man derzeit weit entfernt.