Durch seinen Auftritt bei den Grünen hat es sich SPD-Justizminister Rainer Stickelberger mit Teilen seiner Partei verscherzt. Foto: dpa

Die SPD ist nach dem Grünen-Parteitag verschnupft, und auch der Partner sagt: Es war zu viel.

Stuttgart - Nach dem Parteitagsrausch folgt der Kater: Ganz so wild wollten die Grünen ihren roten Koalitionspartner dann wohl doch nicht zausen. Der ist in der Tat beleidigt. SPD-Fraktionschef Schmiedel beklagt eine "vertane Chance".

"Partylaune" wird für die heutige SPD-Fraktionssitzung prophezeit, sobald dort Rainer Stickelberger eintrifft. Denn der Justizminister hat am Wochenende auf dem Grünen-Parteitag ein Grußwort gesprochen und sich damit tief in die Nesseln gesetzt. Sarkasmus ist noch eine milde Reaktion darauf. Viele sprechen von Anbiederei und unsolidarischem Verhalten - das schlimmste Verdikt unter Genossen.

Stickelberger wird seinen Landtagskollegen jedenfalls erklären müssen, warum er in Aalen ausgerechnet seine eigenen Leute vor "taktischen Spielchen und schrillen Tönen" bei Stuttgart 21 gewarnt hat. Und warum er unter Applaus gestand, er mache mit den Grünen "manchmal bessere Erfahrungen als mit der eigenen Partei".

Dass er als einziger Genosse im Kabinett für den Ausstieg aus dem Projekt votiert, lässt man ihm ja noch durchgehen. Doch sein Auftritt in Aalen geht vielen zu weit. Deshalb wird Stickelberger heute wohl jene Prügel kassieren, die man eigentlich dem Koalitionspartner zudachte - nach all den Pfeilen, die am Wochenende aus dem Grünen-Lager herüberflogen. Man möge doch bitte eine Konsenskoalition anstreben, keine Konfliktkoalition, hatte Ministerpräsident Winfried Kretschmann seinen Partner ermahnt und dabei besonders SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel getadelt.

"Dann gehen die übers Wasser"

Aber auch geringschätzige Bemerkungen aus der zweiten Grünen-Reihe haben die Roten irritiert. Hinzu kam ein Bundesvorsitzender Cem Özdemir, der genüsslich die Berliner Genossen prügelte.

"In der Summe war das zu viel", rudert am Montag Regierungssprecher Rudi Hoogvliet zurück. Man sei auch auf Grünen-Seite nicht glücklich, wie der Parteitag draußen angekommen sei. Schon am Sonntagabend hätten deshalb Kretschmann und SPD-Chef Nils Schmid miteinander telefoniert, um Missverständnisse auszuräumen.

Die gibt es in der Tat. "Es dauert nicht mehr lange, dann gehen die übers Wasser", mault ein Fraktionär und erwartet von Kretschmann ein Wort des Bedauerns. Claus Schmiedel, wegen seines lautstarken Pro-Stuttgart-21-Kurses der bestgehasste Politiker im Grünen-Lager, äußert zwar am Montag Verständnis für das Selbstbewusstsein des Koalitionspartners, sagt aber auch: "Der Parteitag hat eine Chance vertan, denn es war der erste nach der gemeinsamen Regierungsübernahme, und seine Botschaft lautet: Die Grünen arbeiten sich an der SPD ab." Das sei der gemeinsamen Regierungsarbeit nicht gerade förderlich, auch nicht ihrer positiven Aufnahme in der Bevölkerung.

Suttgart 21 einziger grundlegender Konflikt

Er erklärt sich die Grünen-Haltung aus der "Nervosität vor der Volksabstimmung" und erwartet, dass der Streit nach dem 27. November ausgeräumt ist. Schmiedel: "Was über Konsens- und Konfliktkoalition gesagt wurde, erschließt sich mir überhaupt nicht, denn es gibt nur einen einzigen grundlegenden Konflikt, das ist Stuttgart 21." Ansonsten müsse Kretschmann Felder benennen, wo er grundsätzliche Konflikte sehe. "Die haben wir aber nicht."

Doch hinter den Kulissen zeigen sich durchaus Spannungen im einst als Liebesheirat apostrophierten Bündnis. Da gibt es etwa die wachsende Ungeduld der Grünen, endlich Fortschritte bei der Schulreform zu sehen. Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD) wird zwar eine glänzende Außendarstellung bescheinigt - aber verbunden mit der bangen Frage, ob sie die komplexe Materie beherrscht. Auch die Haushaltsberatungen werfen ihre Schatten voraus: So verfolgen die Grünen mit Argwohn die Begehrlichkeiten der SPD, den Agrarhaushalt zu kürzen.

Die SPD wiederum schmerzt der Stachel, Juniorpartner zu sein und zusehen zu müssen, wie Kretschmann in die Rolle des Landesvaters hineinwächst. Wie souverän die Genossen damit umgehen, wird sich am kommenden Samstag beim SPD-Parteitag in Offenburg zeigen.