Atomkonzerne sollen stärker für die Entsorgung der radioaktiven Abfälle in die Pflicht genommen werden, wenn es nach den Grünen geht. Foto: dpa

Ein Gutachter der Grünen empfiehlt, die Atomkonzerne stärker für den Atomausstieg zahlen zu lassen. Sie sollen nicht nur ihre Milliarden-Rückstellungen einbringen, sondern auch für darüber hinaus gehende Kosten gerade stehen.

Stuttgart / Berlin - Die Atomkonzerne könnten für Stilllegung und Rückbau der Kernkraftwerke sowie für die Entsorgung der radioaktiven Abfälle wesentlich stärker in die Pflicht genommen werden, als dies ihr Modell einer bundeseigenen Stiftung vorsieht. Zu diesem Ergebnis kommt ein von Grünen-Bundestagsabgeordneten in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten, das der Stuttgarter Zeitung vorliegt. Die Berliner Kanzlei Gaßner, Groth, Siederer und Collegen, die auch das Land Baden-Württemberg gegen die EnBW vertritt, empfiehlt darin das Modell eines öffentlich-rechtlichen Fonds, um die Kostenrisiken für den Staat und die Bürger möglichst gering zu halten. Es komme „nicht in Frage, die Steuerzahler für das Versagen der Konzernbosse bluten zu lassen“, betonten die beiden baden-württembergischen Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (Karlsruhe) und Gerhard Schick (Mannheim).

Hintergrund der Überlegungen ist die Sorge, dass Energiekonzerne insolvent werden könnten und dann die Allgemeinheit die Kosten für das Ende der Kernkraft tragen müsste. Da die Atommeiler nach und nach abgeschaltet werden und damit auch die Einnahmen wegfielen, rückten solche Szenarien „stärker in den Vordergrund“, heißt es in dem Gutachten; beispielhaft wird auf einen Milliardenverlust von Eon verwiesen. Bei der von den Unternehmen favorisierten Stiftungslösung sei das Risiko für die Steuerzahler zu hoch. Sie wollten ihre Rückstellungen von fast 40 Milliarden Euro in eine Art „Bad Bank“ einbringen und dafür von allen weiteren Pflichten befreit werden.

Zahlungspflicht soll Konzerne nicht erdrosseln

Bei dem Fondsmodell blieben die Betreiber hingegen dauerhaft in der Pflicht und würden auch an Kostensteigerungen beteiligt, argumentieren die Gutachter Hartmut Gaßner und Linus Viezens. Damit sinke das Risiko, dass am Ende die Steuerzahler einspringen müssten. Auch in den öffentlich-rechtlichen Fonds sollten die Energiekonzerne ihre Rückstellungen einbringen, aber bei Bedarf darüber hinaus zusätzliche Mittel. Die Höhe ihrer Zuführungen solle sich nach den Kosten für Stilllegung, Rückbau, Zwischen- und Endlagerung richten, die stets aktuell zu ermitteln seien. Mit der „Nachschusspflicht“ werde gewährleistet, dass die benötigten finanziellen Ressourcen zur Verfügung stünden.

Um die Unternehmen nicht zu „erdrosseln“ sollen sie ihre Verpflichtungen in Raten erfüllen können, empfehlen die Gutachter. Dies könne etwa über einen Zeitraum von zehn Jahren erfolgen. Im Interesse der Allgemeinheit dürfe die Frist dafür aber auch nicht zu lange sein. Da die Rückstellungen in den Unternehmen gebunden seien und teils einen erheblichen Börsenwert ausmachten, müsse man ihnen genügend Zeit geben, „ihre Geschäftstätigkeit neu zu strukturieren“.

Sollen Unternehmen gegenseitig haften?

Ziel des Fonds sei eine „umfassende insolvenzfeste Absicherung“. Er solle nicht operativ tätig werden, aber eine sichere Anlage gewährleisten und auch Zinsen erwirtschaften. Für Stilllegung und Rückbau der AKW sowie die Zwischenlagerung blieben die Energiekonzerne weiter verantwortlich, von den Kosten würden sie freigestellt.

Verfassungsrechtlich sei das Fondsmodell zulässig, befinden die Gutachter. Die Zuführungen seien keine Abgabe, sondern hätten „den Charakter einer Sicherheitsleistung oder einer Spareinlage“. Weder das Eigentumsrecht noch die Berufsfreiheit würden dabei verletzt. Zudem wird angeregt, eine „Solidarhaftung“ der Atomkonzerne untereinander zu prüfen. Die Betreiber könnten gegenüber dem Fonds zum Nachschießen verpflichtet werden, wenn einer für die Kosten nicht mehr aufkommen könne. Dafür müsste eine Rechtsgrundlage geschaffen werden. Für Kotting-Uhl und Schick sind die Konzerne „selbst schuld an der Misere, in der sie sich momentan befinden“. Nötig sei eine Lösung, die sie in die Pflicht nehme; dies könne ein öffentlich-rechtlicher Fonds am besten. Bundestag und Regierung müssten entscheiden, ob sie „Anwalt der Steuerzahler oder Komplize der Konzerne“ sein wollten.