Sein heimatlicher Landesverband hat Cem Özdemir beim Parteitag in Heidenheim mit stehendem Applaus belohnt. Foto: dpa

Die baden-württembergischen Grünen wollen ihren Bundesparteichef Cem Özdemir weiterhin in einer führenden Rolle sehen. Dass es der Ministerpräsidentenposten sein könnte, verneint Özdemir.

Stuttgart - Cem Özdemir gibt zwar den Bundesvorsitz der Grünen auf, aber er sieht seine Zukunft weiter in Berlin. Das sagte er dieser Zeitung am Rande des Parteitags der baden-württembergischen Grünen in Heidenheim. „Ich sehe meine Rolle im Bund, ich habe eine Verpflichtung meinem Stuttgarter Wahlkreis gegenüber“, betonte Özdemir. Damit begegnet er Spekulationen, er könnte Winfried Kretschmann als Ministerpräsident beerben. „Winfried Kretschmann hat mit seinem kraftvollen Einsatz gerade erst in den Sondierungen gezeigt, wie wichtig er als Ministerpräsident für ein erfolgreiches Baden-Württemberg ist“, sagte Özdemir. „Ich hoffe, er bleibt uns noch viele Jahre als Ministerpräsident erhalten.“

Der scheidende Bundesvorsitzende setzt ganz auf die Berliner Karte. Ob er sich Chancen auf den Fraktionsvorsitz im Bundestag ausrechnet, lässt er im Vagen: „Ich diskutiere das nicht theoretisch. Wenn die Fraktion und die Partei sagt, dass sie mich brauchen, werde ich zur Verfügung stehen“, sagte er im Gespräch.

Özdemir gibt Ambitionen nicht auf

Zuvor hatte er den Parteitag mit einer engagierten Rede hinter sich gebracht. Mit seiner letzten als Bundesvorsitzender, wie er betont. Und das beim heimatlichen Landesverband. Es war, als hielten die gut 200 Delegierten den Atem an, als der türkisch stämmige Vorzeigegrüne erklärte, es sei durchaus ungewöhnlich, „dass jemand wie ich es schaffen kann“, an die Spitze der Partei zu kommen. Neun Jahre, so lange wie keiner vor ihm, führte Özdemir die Partei. Das gibt er auf. Doch nicht weitere Ambitionen: „Ich will die Ärmel weiter hochkrempeln“, ruft er. An einer Position, die Partei und Fraktion für ihn für richtig hielten, gibt er sich demütig.

Stehende Ovationen bekommt der Bad Uracher von seinem Landesverband, das rührt ihn, und das bestärkt ihn. „Das war eine Bewerbungsrede“, darin sind sich die Delegierten einig. Manche sind sich nur nicht sicher, für welchen Posten. Dass er Ministerpräsident werden wolle, glauben die wenigsten, zumindest nicht jetzt. Gerüchte seien das, gestreut aus interessierten Kreisen aus Berlin, um Cem aus dem Rennen um den Fraktionsvorsitz zu nehmen, raunen etliche Delegierte im Foyer des Congresszentrums.

Kretschmann pusht Özdemir

Die Baden-Württemberger wollen, dass ihr Cem, der bei den Jamaikasondierungen nochmals an Statur gewonnen habe, in Berlin wichtig bleibt. Am besten als Vorsitzender der Bundestagsfraktion. Ministerpräsident Winfried Kretschmann kann ihn gar nicht genug loben, sein „großes politisches Talent“, sein Format, „das nicht nur Grüne schätzen“, sonst wäre Özdemir kaum zum beliebtesten Grünen aufgestiegen, meint der Landesvater. Auch an Führungsqualitäten fehle es ihm nicht: „Dass du weiterhin eine führende Rolle spielst, im Bund, das wollen wir“, sagt Kretschmann. Auch die Landesvorsitzende spricht es deutlich aus: „Cem, du musst weiter an der Spitze für uns Gesicht zeigen“, sagt Sandra Detzer und der Parteitag spendet reichlich Applaus.

Das Problem ist, dass der Posten an der Fraktionsspitze nicht frei ist. Katrin Göring-Eckardt will bleiben und besetzt damit den Realoplatz, den Özdemir anstreben könnte. „Der Parteitag ist bestrebt, Cem zu pushen“, sagt ein Bundestagsabgeordneter, der dem linken Flügel zugerechnet wird. Ein anderer aus dem linken Lager ist nicht sicher, ob Özdemir sich mit der indirekten Bewerbung einen Gefallen getan hat. „Da wollen Kretschmann und Özdemir was durchboxen.“ Er befürchtet: „Das könnte in einem Riesenkrach münden.“

Bewerbungen um Bundesvorsitz

Ein Regierungsmitglied rückt die Dimensionen zurecht. „Man kann sich nicht beim Landesparteitag um den Fraktionsvorsitz im Bundestag bewerben“. Klar den Finger gehoben hat dagegen der schleswig-holsteinische Umweltminister Robert Habeck. Er will Özdemir als Parteichef folgen. Das will auch die Brandenburger Bundestagsabgeordnete Annalena Baerbock.

Landesvorsitzende wiedergewählt

Hinter den Spekulationen traten die Inhalte des Parteitags in Heidenheim zurück. Verabschiedet wurde unter anderem ein Leitantrag zur Integration, der vorsieht, Flüchtlinge stärker vor Abschiebung zu schützen. Die Grüne Jugend scheiterte deutlich mit einem Antrag, die zu diesem Wintersemester in Baden-Württemberg eingeführten Studiengebühren wieder abzuschaffen. Die beiden Landesvorsitzenden Sandra Detzer und Oliver Hildenbrand wurden für weitere zwei Jahre in ihren Ämtern bestätigt.