Die Unterhändler von Grünen und CDU robben sich an die ernüchternden Zahlen zu den Finanzen heran. Foto: dpa

Bei ihren Koalitionsverhandlungen ringen Grüne und Christdemokraten mit den Zahlen. Eigentlich ist die Finanzlage ordentlich, und doch fehlen im Landeshaushalt mehr als zwei Milliarden Euro – ganz ungeachtet der vielen Ausgabenwünsche.

Stuttgart - „Ein weiterer wichtiger Aspekt, den wir unmittelbar nach der Landtagswahl angehen müssen, ist die Rückgängigmachung der Absenkung der Eingangsbesoldung.“ Das hat – genau so – der damalige Spitzenkandidat der CDU, Guido Wolf, gefordert. „Im Wettbewerb um die Jahrgangsbesten muss auch der Staat ein attraktiver Arbeitgeber sein,“ sagte er im vergangenen Sommer.

Auch die SPD hatte vor der Wahl erkannt, dass das Thema Sprengkraft besitzt. Sie setzte sich zum Ziel, in der nächsten Landesregierung den Obolus wieder abzuschaffen, den Jungbeamte zur Haushaltssanierung leisten müssen. Selbst wenn man den Grünen in der Regierungsmannschaft zuhört, erfährt man, dass auch sie die Sparvorgabe inzwischen für einen Fehler halten. Wer Beamter werden will, bekommt seit 2013 drei Jahre lang ein um vier Prozent gekürztes Monatsgehalt. In höheren Besoldungsgruppen ist es noch mehr. Der Effekt ist der befürchtete: Für den Staatsdienst bewerben sich nicht mehr ausreichend qualifizierte Kräfte.

Wo bleibt die Eingangsbesoldung?

Warum hört man dann nicht, dass sich Grüne und Christdemokraten bei ihren Koalitionsverhandlungen flugs darauf verständigt hätten, dieses 40-Millionen-Projekt umzusetzen? Geredet wird über eine Breitbandoffensive für 100 Millionen Euro; sie soll ein grün-schwarzes Leuchtturmprojekt werden. Den Stellenausbau bei der Polizei für 100 Millionen Euro verlangte die CDU in ihrem Wahlprogramm auch, einen Orientierungsplan für die Kindergärten – Kostenpunkt: 400 Millionen – wollten beide. Die Schwarzen kämpften noch für ein beitragsfreies Vorschuljahr (für weitere 100 Millionen), die Grünen für die Gesundheitskarte für Flüchtlinge – bei der man noch nicht sagen kann, wie viele Millionen dafür veranschlagt werden müssten. Und so weiter.

Die Sache hat freilich einen Haken: der Haushalt hat schon jetzt ein Loch; es wären also nicht nur die Mehrausgaben zu finanzieren, sondern eine Deckungslücke, die allein im nächsten Jahr 2,3 Milliarden Euro ausmacht. In den Folgejahren werden es sogar noch mehr.

Nun ist es politisch-pädagogisch nicht verkehrt, den zu neuen Ufern aufbrechen wollenden Koalitionstruppen noch vor Reiseantritt auszumalen, in welch rauen Gewässern sie sich werden bewegen müssen. Die Lage ist aber wirklich nicht einfach. Der von Grün-Rot betriebene Abbau des so genannten strukturellen Defizits hat nicht so schlecht funktioniert, ist aber durch die schlagartig in die Höhe geschnellten Kosten für die Flüchtlingsbetreuung wieder völlig kompensiert worden. 2,3 Milliarden der schon jetzt – also ohne die grün-schwarzen Projekte – für 2017 anvisierten Ausgaben sind noch nicht finanziert. Entweder muss man davon Abstriche machen, oder es muss zusätzliches Geld her.

Letzte Reserven

Es gibt, auch das haben die Verhandler erfahren, schon noch einige Töpfe, in denen etwas Reservegeld steckt. 500 Millionen könnten aus einem Haushaltsüberschuss von 2015 übrig bleiben. Womöglich wirft 2016 auch einen Überschuss ab? Darüber im April zu befinden, ist indes recht kühn. Man könnte den neuen Ressorts auch gleich Orientierungspläne mit Kürzungsvorgaben mit auf den Weg geben. Als Beispiel wurden 500 Millionen ins Gespräch gebracht. Grün-Rot hat das für 2015 und 2016 schon einmal praktiziert.

Die Personalausgaben bergen ein Risiko. Die Tarif- und Besoldungserhöhung könnte stärker ausfallen als erahnt. Der Tarif im öffentlichen Dienst der Länder läuft am 31. Dezember 2016 aus. Dann wird verhandelt, Grün-Schwarz kommt also recht flott in Zugzwang.

Das sind nur wenige der vorgetragenen Haushaltsrisiken. Ein anderes ist die Verpflichtung Baden-Württemberg zum Fonds zur Stabilisierung des Finanzmarktes beizutragen. Wenn diese Option gezogen werden muss, ist das Land mit mehr als einer Milliarde Euro dabei. Es gibt auch Chancen, etwa dass die Flüchtlingszahlen zurückgehen oder dass die Einigung der 16 Ministerpräsidenten über die neue Verteilung der Finanzen zwischen Bund und Ländern tatsächlich Wirklichkeit wird. Das brächte dem Land fast eine Milliarde Mehreinnahmen.

Steuererhöhungen im Gespräch

Das alles sind aber Eventualitäten, auf die ein Haushälter nicht das Fundament seines Etats setzen will. Der Haushaltschef des Finanzministeriums teilte den grünen und schwarzen Verhandlern nur wenig verbrämt seine Einschätzung mit: Für ihn hat die „Rückführung des haushaltswirtschaftlichen Handlungsbedarfs“ erste Priorität. Erst dann könne es um die „Finanzierung von Mehrausgaben“ gehen. Als mögliche mittelfristige Deckungsoptionen brachte er „Einsparungen im Förderbereich beim Landesgesetzgeber“ in die Debatte ein. Und – Achtung, genau hinsehen – „Steuermehreinnahmen durch den Landesgesetzgeber“. Auch eine Neuverschuldung wird in Erwägung gezogen. Der geltende Finanzplan ließe 2017 eine Kreditaufnahme von 280 Millionen Euro zu. Entscheiden muss das die Politik. Das wird bei den Verlobten noch zu manchen Diskussionen führen.