Die Haushaltsverhandlungen liegen in den letzten Zügen. Die Fraktionschefs Andreas Schwarz (Grüne) und Manuel Hagel (CDU) sind zufrieden, deuten aber an, dass die Beschlüsse nicht lange halten könnten.
Keine Mobilitätsgarantie, keine Laptops in Schulen. Trotz eines Rekordvolumens geht die grün-schwarze Koalition wichtige Vorhaben im anstehenden Doppelhaushalt nicht an. Die Fraktionschefs Andreas Schwarz (Grüne) und Manuel Hagel (CDU) verteidigen im Interview die Pläne.
Wie zufrieden sind Sie mit dem Etat?
Schwarz: Sehr zufrieden! Wir investieren und sorgen vor. Das tun wir mit Landesprogrammen und spannen in der Krise ein Sicherheitsnetz für Unternehmen. Wir investieren in Bildung, Klimaschutz, Forschung und Entwicklung. Gleichzeitig finanziert Baden-Württemberg die Entlastungspakete des Bundes mit 4,8 Milliarden Euro und unterstützt somit die Entlastung der Bürger. Hinzu kommen 200 Millionen Euro für das 49-Euro-Ticket.
Wo sind die strategische Schwerpunkte?
Hagel: 1,4 Milliarden Euro investieren wir in echte Zukunftsprojekte. Einen Rekordbetrag in die Digitalisierung und den Breitbandausbau. In der Forschung investieren wir in Quantenphysik und -computing und sorgen mit über 700 neuen Lehrerstellen für beste Bildung und gleiche Chancen. Jeder investierte Euro zahlt sich hier doppelt und dreifach aus.
Schwarz: Um den Klimaschutz und der Wirtschaft zusammenzubringen, gibt es die Planungsoffensive für Windkraft und Fotovoltaik. Wir schaffen neue Stellen, um auf Gebäuden des Landes mehr Solardächer installieren zu können. Das ist ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz und ein Konjunkturprogramm fürs Handwerk. Unsere Werkzeuge für Zukunftsthemen sind der Innovationscampus für Lebenswissenschaften, für neue Mobilität und für Nachhaltigkeit.
Hagel: Den Bevölkerungsschutz machen wir mit rund 50 Millionen Euro fit für die Zukunft und investieren in die Ausstattung der Blaulichtorganisationen. Mit der Einrichtung eines Cybercrime-Zentrums gehen wir massiv gegen Kinderpornografie vor. Denn in Baden-Württemberg gibt es nur einen Platz für Kinderschänder: und der ist hinter Gittern!
Schwarz: Und unser Haushalt unterstützt Städte und Gemeinden. Knapp 800 Millionen Euro stellen wir den Kommunen zusätzlich zur Verfügung den größten Teil für die Flüchtlingsaufnahme. Übrigens gibt nicht jedes Bundesland die Gelder aus Berlin komplett weiter! Und wir nehmen für Integrationsmanager eigenes Geld in die Hand, damit Integration vor Ort funktioniert.
Die Kommunen waren allerdings ziemlich unzufrieden was die Finanzierung von Beschlüssen angeht.
Hagel: Wir sehen die Sorgen und Nöte der Kommunen und Kreise. Deshalb ist der Kompromiss in der gemeinsamen Finanzkommission mit den kommunalen Landesverbänden ein guter Kompromiss. Ich habe großes Verständnis, dass die Kommunen sich mehr gewünscht hätten. Aber als Land haben wir getan, was maximal möglich war.
Mussten in finanziell angespannten Zeiten die Ehrenamtskarte und die Durchbezahlung der Lehrer sein?
Hagel: Natürlich muss priorisiert werden. Aber die Ehrenamtskarte ist uns sehr wichtig, weil sie dem unbezahlten Engagement die Wertschätzung zollt, die sie auch verdient. Verzichtet haben wir vorerst auf eine Förderung der Klimaeffizienz der Unternehmen im Land. Da bleiben wir dran.
Schwarz: Die befristet angestellten Lehrer bekommen ab 2023 wie Festangestellte über die Sommerferien hinweg ihr Gehalt. Hier geht es um Wertschätzung des Berufs, das war mir wichtig. Wir brauchen Personal, um die Unterrichtsqualität zu verbessern, sodass die Kinder wieder besser lesen, rechnen und schreiben lernen. Dass die Mobilitätsgarantie in diesem Haushalt nicht finanziert ist, tut mir weh. Mir ist weiterhin wichtig, dass das kommt!
Damit wird ein wichtiges Anliegen der Koalition vertagt – ebenso wie die Digitalisierung in Schulen . . .
Schwarz: Die Digitalisierung der Schulen ist eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Land und Kommunen. Da erwarte ich von den kommunalen Schulträgern, dass sie dieses Thema partnerschaftlich mit dem Land angehen und ihren Beitrag leisten.
Wie sehen die Investitionen in Zukunftsthemen genau aus?
Schwarz: Digitalisierung und KI stärken wir durch Neubauten im Cyber-Valley. Die Lebenswissenschaften sind beim Innovationscampus in Heidelberg angesiedelt – da sehen wir die Region Rhein-Neckar gut aufgestellt. Das finanzieren wir durch. Der Innovationscampus Mobilität – die Uni Stuttgart und das KIT in Karlsruhe – ist ein super Joint-Venture, um die Zukunft der Mobilität voranzubringen. Da nehmen wir zusätzlich Geld in die Hand.
Hagel: Den Lebenswissenschaften gehört die Zukunft. Es ist ein unglaublich spannendes Feld mit enormen Innovationspotenzialen, was nicht zuletzt die Impfstoffentwicklung uns allen deutlich gemacht hat. Wir wollen dort weltweit spitze werden. Deshalb investieren wir jetzt 25 Millionen Euro pro Jahr in diesen Bereich. Wir betrachten Forschung und medizinische Versorgung getrennt voneinander. Die gemeinsame Forschungsfakultät, in der wir riesige Wertschöpfungspotenziale sehen, soll deshalb schnell Wirklichkeit werden.
Und die Fusion der Unikliniken in Heidelberg und Mannheim?
Schwarz: Wir unterstützen diese Kooperation. Aber es sind noch einige Fragen zu klären. Das muss sauber vorbereitet werden.
Hätte man die eine Milliarde Euro neue Schulden durch eine strengere Ausgabendisziplin reduzieren können?
Hagel: Wir halten die Schuldenbremse ein und betreiben gleichzeitig Risikovorsorge. Natürlich hätte ich mich ohne neue Schulden wohler gefühlt, aber wir müssen in Zeiten multipler Krisen vorbereitet sein. Entscheidend ist: Wir werden das zusätzliche Geld nur dann abrufen, wenn wir es auch wirklich zur Krisenbekämpfung brauchen.
Schwarz: Ich möchte, dass wir handlungsfähig sind und im nächsten Jahr Stabilisierungs- und Entlastungsprogramme auflegen können. Je nachdem, wie der Bund den Nothilfefonds gestaltet, müssen wir noch einmal Geld für Handwerk, Mittelstand und soziale Einrichtungen in die Hand nehmen.
Sie gehen jetzt schon davon aus, dass die Landeshilfen nicht reichen?
Hagel: Wir wissen heute noch nicht, wie sich die Krise entwickelt. Wenn eine neue Lage entsteht, müssen wir neue Antworten geben.
Könnte man das nicht über einen Nachtragshaushalt regeln?
Hagel: Der Faktor Zeit ist das Entscheidende in einer Krise. Wenn wir die Kreditermächtigungen jetzt im Etat haben, sind wir binnen Tagen handlungsfähig. Der Weg über den Nachtragshaushalt dauert Wochen, und das kann Existenzen kosten. In diese Situation wollen und dürfen wir nicht kommen.