Auf direktem Weg zur Koalition: CDU-Landeschef Thomas Strobl (links) und Grünen-Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Foto: dpa

Das Koalitionspaket wieder aufschnüren? Das kann sich trotz Grummelns auch in der CDU kaum jemand vorstellen.

Stuttgart - Mit belanglosen Fragen behelligt man Winfried Kretschmann zurzeit besser nicht. Denn da reagiert Deutschlands Polit-Liebling schroff bis unwirsch. Dabei wollten die Fernsehleute dieser Tage nur wissen, wie die Lage so sei. „Was soll jetzt diese Frage?“, blaffte der Grüne zurück. Und weil ein Journalist nachhakte, wie es ihm persönlich gehe, brummte Kretschmann: „Scho recht.“ Und verschwand im Tagungszimmer.

Sieht ganz so aus, als zerrten die Koalitionsverhandlungen stärker an den Nerven, als die offiziellen Statements („wir sind wieder gut vorangekommen“) vermuten lassen. Oben im 7. Stock der L-Bank haben sie den Konferenzbereich jetzt mit Spanischen Wände abgeschrankt, damit die Medien nicht jeden Unterhändler beim Toilettengang abfangen. CDU-Landeschef Thomas Strobl ist besonders begehrt, denn sein heiteres Naturell verbietet es ihm offenbar, einfach mal nichts zu sagen. Kretschmann wurmt das erkennbar. Manche Dinge vertragen halt das Schnaufen nicht, hätte sein Vorgänger Erwin Teufel gesagt – auch in diesem Punkt ist er sein Bruder im Geiste.

Dabei waren doch zu Wochenbeginn alle noch frohgemut. Von einem „durch und durch erfreulichen Ergebnis“ sprach der Ministerpräsident da, denn die CDU hatte beim zentralen Streitpunkt Gemeinschaftsschulen eingelenkt. Die Schwarzen wollen nun auch neue Schulen dieses Typs erlauben und sogar gymnasiale Oberstufen einrichten. Seither gärt es vor allem in der Fraktion, denn bis zur Wahl galt das noch als Teufelszeug.

Auf dem Silbertablett und viel zu früh habe Strobl die Morgengabe in die Ehe gebracht, schimpfen nicht wenige. Statt ständig mit grünen Jacken und Krawatten zu kokettieren, möge Strobl doch bitte die schwarzen Interessen wahren. Gänzlich ungelegen kam dem CDU-Chef die Kritik am Schulkompromiss allerdings nicht. Schließlich stehen weitere Kompromisse an, und da kann es hilfreich sein, eine Drohkulisse aufzubauen. Kretschmanns Laune jedenfalls ist erkennbar gesunken, seit er aus der CDU die Forderung vernahm, man solle die Verhandlungen notfalls platzen lassen.

Das Hauptproblem ist das Wie, nicht das Ob

Vorstellen kann sich ein solches Szenario aber niemand. Dafür sind sich Grüne und CDU in den vergangenen zwei Wochen viel zu nahe gekommen. „Das Ding wird kommen“, sagt ein hochrangiger CDU-Mann. Natürlich gibt es die großen Streitfragen, ein halbes Dutzend etwa, die man in der nächsten Woche angehen will. Stuttgart 21 gehört natürlich dazu, obwohl niemand die Frage beantworten kann, warum um alles in der Welt die CDU der Bahn nun einen Blankoscheck ausstellen will, falls wieder mal Geld fehlt. Das sehen aber einige in der Fraktion auch so. Auch über die Studentenvertretungen herrscht noch Dissens. Doch das ist ebenso ein Randthema wie das Jagdgesetz. Weder Kretschmann noch Strobl zeigten jedenfalls vergangene Woche Neigung, sich mit den Details der Wildfütterung zu befassen. Sie verdonnerten vielmehr die Jagd-Experten Alexander Bonde (Grüne) und Peter Hauk (CDU) zum Nacharbeiten. „Einsperren bis weißer Rauch aufsteigt“, habe Kretschmann empfohlen, verriet Strobl, dem diese Lösung allerdings „zu katholisch“ war. Jetzt rechnet man damit, dass Hauk und Bonde einen Waldspaziergang machen. Auch das Tariftreuegesetz ist noch umstritten. Es hat angesichts des bundesweiten Mindestlohns aber an Bedeutung eingebüßt. Und da es wie die Bildungszeit ein Gesetz ist, das die Handschrift der SPD trägt, dürften die Grünen es kaum verbissen verteidigen. Geeinigt hat man sich hingegen bei der Polizeireform, die man nun evaluieren will. Und bei der Frage des neunjährigen Gymnasiums soll es bei den bisherigen Modellschulen bleiben.

Das Hauptproblem der Partner in spe ist ohnehin nicht das Ob, sondern das Wie. Oder wie Kretschmann sagt: „Es hängt am Geld.“ Von Tag zu Tag wird die sogenannte Z-Liste länger: eine Aufreihung all jener Wünsche, die haushaltsrelevant sind, und die man erst kommende Woche in eine Rangfolge bringen will – vom Betreuungsgeld bis zum Wohnungsbau. Dass die CDU viele ihrer Versprechen begraben muss, fuchst Strobl mehr, als er zugibt. Nur manchmal bricht es aus ihm heraus: „Die Hinterlassenschaft von Grün-Rot ist nicht schön“, sagt er dann. Kretschmann steht schweigsam daneben und blickt auf seine extrabreiten Bär-Schuhe.

An diesem Sonntag nun will die grün-schwarze Spitzenrunde die Ergebnisse der Arbeitsgruppen endgültig abhaken. Es fehlen noch Inneres, Schule, Umwelt, Soziales und Integration. Zuvor sind aber erst einmal die Chefs der drei Kommunalverbände zu Gast. Man will Sparvorschläge hören. Notfalls werde man „bis in den frühen Montagmorgen“ tagen, sagte Strobl. Damit Journalisten nicht wieder unbotmäßige Fragen stellen, trifft man sich an einem abgeschirmten Ort: in der Villa Reitzenstein, Kretschmanns Dienstsitz.