Aufnahmestandards müssen in allen EU-Staaten umgesetzt werden: Das ist die Forderung von Innenminister Reinhold Gall Foto: Leif Piechowski

Ist das EU-Land Ungarn kein sicherer Ort für Flüchtlinge? Deutsche Gerichte ur- teilen unterschiedlich. Viele Asylbewer- ber dürfen nicht zurückgeführt werden – zum Ärger der Landesregierung.

Ist das EU-Land Ungarn kein sicherer Ort für Flüchtlinge? Deutsche Gerichte urteilen unterschiedlich. Viele Asylbewerber dürfen nicht zurückgeführt werden – zum Ärger der Landesregierung.

Stuttgart - Eigentlich ist die Sache klar: Asylbewerber müssen in dem EU-Land beherbergt werden, das sie zuerst betreten. Im Falle Ungarns gilt dies jedoch nicht immer – auf diesen Missstand hat jetzt die baden-württembergischen Landesregierung hingewiesen. So wurde im ersten Halbjahr 2014 die Rückführung von bundesweit 230 Flüchtlingen nach Ungarn gerichtlich gestoppt. Begründung: In dem EU-Land müssten Flüchtlinge damit rechnen, „menschenunwürdig“ und „erniedrigend“ behandelt zu werden. So argumentierte beispielsweise das Verwaltungsgericht Stuttgart Ende Juni im Fall eines iranischen Flüchtlings, der über Ungarn eingereist war.

Innenminister Reinhold Gall (SPD) forderte die EU zum Handeln auf: „Es ist unabdingbar, die Aufnahmestandards in allen EU-Mitgliedsstaaten umzusetzen“, sagte er unserer Zeitung. Nur wenn alle Mitgliedsstaaten Solidarität zeigen, könne ein gemeinsames europäisches Asylsystem funktionieren. Europaminister Peter Friedrich (SPD) forderte, EU-Beitrittskandidaten müsse klargemacht werden, dass die Behandlung von Flüchtlingen Priorität habe.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sieht indes keinen Grund, illegal eingereiste Flüchtlinge nicht nach Ungarn abzuschieben. Das Land sei für Asylbewerber sicher, finden die Richter in Straßburg.

Sieben Bundesländer, darunter Baden-Württemberg, orientieren sich nicht automatisch an diesem Urteil; hier entscheiden die Gerichte unterschiedlich. Eindeutig ist die Situation im Falle Griechenlands. Das Land weist nach allgemeiner Ansicht systemische Mängel bei Asylverfahren und Aufnahmebedingungen auf. Flüchtlinge dürfen nicht dorthin zurückgeschickt werden.