Wer ist der „Mister Zehnprozent“? Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Er wird Mister Zehnprozent genannt: Ein unbekannter Mann spendet Jahr für Jahr zehn Prozent seines Einkommens. Am Wochenende war er in Stuttgart in einem Gottesdienst.

Stuttgart - Er ist der große Unbekannte, und er gibt sich auch in der Leonhardskirche nicht zu erkennen, wo er inkognito unter den Gläubigen sitzt: Mister Zehnprozent, ein Wohltäter, der selbst spendet, erfolgreich zu Spenden aufruft und erstmals in Stuttgart, am Ort der Vesperkirche, einen Dankgottesdienst für 160 000 Euro Spendenaufkommen seiner Aktion im Jahr 2017 mitfeiert. Sein Grußwort mit dem Dank und der Freude darüber, dass vier gewichtige Schecks verteilt werden können, verliest Marcus Tratzky, ein Vertreter seiner Aktion.

Man erfährt nur so viel: Es ist ein Kaufmann aus dem Rhein-Main-Gebiet, der 1968 beschloss, jährlich zehn Prozent seines Jahreseinkommens für Selbsthilfeprojekte in Afrika und Lateinamerika zur Verfügung zu stellen – unter der Voraussetzung, dass zehn Gleichgesinnte ebenfalls einen Zehnten spenden. Es wurde eine Erfolgsgeschichte, in der die Zahl der Spender und Summen weit über die anfänglichen Vorstellungen hinauswuchsen. Er selbst, verrät Bea Ackermann, Pfarrerin in Wiesbaden und die öffentliche Repräsentantin von Mister Zehnprozent, sei keineswegs eine Art Bill Gates, sondern ein sehr bescheidener Mann, der auf Villa oder Sportwagen verzichte, um Gutes zu tun.

Mister Zehnprozent will sich 2018 zurückziehen

Die Aktion, die im evangelischen Dekanat Wiesbaden angesiedelt, aber der Ökumene verpflichtet ist, setzt sich seit 1981 auch für Projekte in Deutschland, ein: „Eines davon muss hier in der Nähe zu finden sein“, mutmaßt Mister Zehnprozent im Grußwort und meint die Cafés Strich-Punkt und La Strada für männliche und weibliche Prostituierte. „So kam die Verbindung zur Evangelischen Gesellschaft zustande“, erklärt Bea Ackermann. Gerade die Vesperkirche von Pfarrer Christoph Doll sei als beziehungsreicher Ort ideal.

Die Bilanz dieser Erfolgsgeschichte ist mehr als beeindruckend: 9,3 Millionen Euro wurden in den vergangenen 49 Jahren an Hilfsprojekte vergeben. Schecks über insgesamt 160 000 Euro konnten am Ende des Gottesdiensts die Vertreter von Brot für die Welt für Kleinbauern in Ecuador, Misereor für Kinder von Prostituierten in Hyderabad, Indien, Missio für Flüchtlinge in Südafrika und der Evangelische Verein für Innere Mission in Nassau für junge Menschen in Not entgegennehmen. Der Anteil von Mister Zehnprozent daran beträgt 38 000 Euro.

50 000 Euro will der Unbekannte im 50. Jubiläumsjahr spenden. Für Projekte in Nigeria, Myanmar, auf den Philippinen und ein Mädchenhaus in Frankfurt. Gesucht werden 450 Mitspender. Gesucht wird aber auch ein Nachfolger für Mister Zehnprozent, der das Ruhestandsalter erreicht hat und sich zurückziehen will.