Die Polizei will die sich mehrenden rechten Hassparolen in sozialen Medien nicht hinnehmen. Foto: dpa

Das Bundeskriminalamt lässt bundesweit Wohnungen von 60 Verdächtigen durchsuchen. Vier stammen aus Baden-Württemberg.

Stuttgart - Erst kommt die verbale Gewalt, dann die körperliche – auf diesen Zusammenhang haben mit Beginn des Flüchtlingszustroms und der Angriffe auf Asylunterkünfte in Deutschland schon wiederholt Kriminologen und Soziologen hingewiesen. Das Internet spielt dabei die zentrale Rolle. Am Mittwoch haben Polizeikräfte aus 14 Bundesländern erstmals mit einer Großrazzia gegen 60 mutmaßliche Verfasser von Hasspostings reagiert. Vier von ihnen stammen aus Baden-Württemberg mit Wohnsitzen im Rems-Murr-Kreis, im Main-Tauber-Kreis sowie den Kreisen Calw und Karlsruhe.

Im Mittelpunkt der Wohnungsdurchsuchungen standen die Teilnehmer einer geschlossenen Facebook-Gruppe namens „Großdeutschland“. 36 der 60 Verdächtigen sollen ihr angehört haben. Wie das Bundeskriminalamt am Mittwoch mitteilte, wurde in Postings zwischen Juli und November 2015 der Nationalsozialismus verherrlicht . Hetzeinträge seien aber auch allgemein fremdenfeindlich, antisemitisch oder rechtsextremistisch gewesen.

Die mutmaßlichen Haupttäter leben in Bayern

Die beiden Administratoren der Facebook-Gruppe stammen aus dem bayerischen Allgäu und dem Raum Nürnberg. Das Ermittlungsverfahren wird deshalb zentral von der Staatsanwaltschaft Kempten sowie dem bayerischen Landeskriminalamt geführt. Nach Einschätzung des Bundeskriminalamtes sind die bekannten Hasseinträge bereits Straftaten im Sinne der Strafgesetzbuch-Paragrafen 86a (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) und 130 (Volksverhetzung). Die Wohnungsdurchsuchungen hatten dennoch das Ziel, weitere Beweise zu finden. Der BKA-Präsident Holger Münch sagte zur Razzia, die Fallzahlen politisch rechts motivierter Hasskriminalität im Internet seien im Zug der europäischen Flüchtlingssituation „deutlich gestiegen“. Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte seien „häufig das Ergebnis einer Radikalisierung, die auch in sozialen Netzwerken beginnt“. Es drohe eine Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas. Ob und welches Material bei den Durchsuchungen gefunden wurde, sagten die Behörden nicht. Zu Festnahmen ist es nicht gekommen.

Auch für die Polizei in Baden-Württemberg handelte es sich um die erste konzentrierte Großaktion zum Straftatbestand rechtsextremer Internethetze. Wie ein Sprecher des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg sagte, gehörten Einzelfälle aber zum Alltag. Allein im ersten Halbjahr des laufenden Jahres seien durch die Polizeipräsidien im Südwesten mehr als 100 rechtsextremistische fremdenfeindliche Straftaten verfolgt worden, „wo das Internet Tatmittel war“.

Das BKA rät: Hassparolen im Internet anzeigen

Das Bundeskriminalamt ruft Bürger auf, rechtsgerichtete Äußerungen im Internet nicht einfach zu ignorieren, sondern Anzeige zu erstatten. Das Stuttgarter Landeskriminalamt rät, das mit einer Meldung über die virtuelle „Internetwache“ zu tun. Der Link findet sich unter www.polizei-bw.de am unteren Ende der linken Menüspalte. Alternativ könne aber auch Anzeige bei jeder örtlichen Polizeidienststelle gestellt werden, so der LKA-Sprecher.

Weitere ähnliche bundesweite Aktionen dürften folgen. Eine im Dezember 2015 gegründete Bund-Länder-Projektgruppe „Bekämpfung von Hasspostings“ beginnt jetzt erst Fahrt aufzunehmen.