Die Geldgeschäfte laufen mit Hilfe einer eigens programmierten App digital. Foto: privat

Das Stromberg-Gymnasium simuliert eine Woche lang den Zukunftsstaat. Richtschnur dafür sind die Global Goals der Vereinten Nationen für das Jahr 2030: Es geht um Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung.

Wer die Grenze zum Zukunftsstaat passiert, bekommt einen neuen Ausweis samt persönlicher Identifikationsnummer. Bei der Bank zahlt er Euro ein und erhält dafür Stromer gutgeschrieben – eine harte Währung, zumindest für knapp eine Woche. Für diese Zeitspanne firmiert das Schulgelände des Vaihinger Stromberg-Gymnasiums als Staatsterrain von „Future-SG“. Statt im Unterricht sind rund 560 Schüler und knapp 60 Lehrer sechs Tage lang gleichgestellte Bürger in einem Staat mit eigener Verfassung, Wirtschafts- und Finanzsystem, mit Parlament, Präsident, Gericht, Polizei, Firmen, Zeitung, eigener Hymne und einem Standesamt – es gilt die Ehe für alle.

Ein Ethikrat überprüft, ob die selbst gesetzten Standards eingehalten werden

Das Mammutprojekt „Schule als Staat“, das ambitionierte Schüler- und Lehrerschaften landauf, landab immer mal wieder anpacken, reichte dem Stromberg-Gymnasium allerdings nicht als Ziel. Die Schüler, die rund zwei Jahre in die Vorbereitung steckten, richteten sich für ihr Staatswesen deshalb an den Global Goals der Vereinten Nationen für das Jahr 2030 aus. „Wir sind die Zukunft. Wir werden die Gesellschaft einmal gestalten“, begründet die Kursstufenschülerin Ilayda Sahbaz den speziellen Fokus. Sie und ihr Mitschüler Orion von Reischach waren diejenigen, die das Projekt ins Rollen gebracht haben. „Future-SG“ legt Wert auf Gemeinwohlökonomie, Ressourcenschonung, öko-faire Produktionsbedingungen und kritischen Konsum. Ein Ethikrat überprüft, dass die selbst gesetzten Standards eingehalten werden.

Da wäre zum Beispiel das Thema Upcycling, bei dem die Schüler mit ihren Unternehmensgründungen auf pfiffige Ideen kamen. Die einen pflanzen Blumenarrangements in alte Töpfe und Tassen und verkaufen die Gestecke im Retro-Look. Andere machen aus gebrauchten Dosen Windlichter oder haben wie Celine (13), Elena (12) und Annika (13) ihre Nähmaschinen mitgebracht. Aus alten Jeans und T-Shirts kreieren sie Sportbeutel, Mäppchen oder Kosmetiktäschchen. Auf die Idee brachte sie das Thema Mittelalter im Geschichtsunterricht, erzählen die Siebtklässlerinnen. Es habe ihnen zu denken gegeben, dass von einem geschlachteten Tier damals rundweg alles verwertet worden sei.

Nudelsalat im Glas und Plastiksteuer

Wer im Zukunftsstaat erst gar keinen Müll produziert – wie das Unternehmen „Glas to go“, das seinen Kartoffel- oder Nudelsalat in Gläsern ausgibt – oder wer nachhaltig einkauft, spart Geld: Das Parlament hat eine Plastik- und eine Fleischsteuer verabschiedet, um Anreize für nachhaltiges Wirtschaften zu schaffen. Waren aus dem „Ausland“ – in diesem Fall aus Vaihinger Supermärkten – müssen über den Zoll eingeführt werden, der sie je nach Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz besteuert.

Besonders ausgeklügelt ist das Finanzwesen des Staates. Eine Gruppe von Schülern programmierte eigens eine Bezahl-App namens Fingerhut, denn der Staat funktioniert bargeldlos. Für Schüler ohne eigenes Smartphone sind öffentliche Tablet-Arbeitsplätze eingerichtet worden, an denen sie mit Registriercode und ihrer persönlichen Kontonummer ihre Geldgeschäfte tätigen können.

Das Kernteam hat auch die Ferien durchgeschuftet

Bis zur letzten Minute vor Staatseröffnung haben die Schüler noch Leitungen in alle Räume verlegt, damit überall im Staatsgebiet WLAN verfügbar ist. Überhaupt sei der Einsatz der Schüler geradezu überirdisch, findet die Schulleiterin Katja Kranich. Mit einem Dutzend über die Maßen engagierter Lehrer habe das Kernteam zuletzt auch die Ferien durchgearbeitet – und nebenher rund 12 000 Euro Spenden als Startkapital an Land gezogen. „Besonders beeindruckt hat mich der Anspruch der Schüler, selbst zu Spitzenzeiten ihre Selbstständigkeit zu bewahren“, sagt Kranich. Man kann getrost sagen: Mit solchen Jugendlichen lässt sich ein Staat machen.