Noch liegen hinter dem Hauptbahnhof reichlich Gleise – etwa ab 2027 soll es hier Platz für ein großes neues Stadtviertel geben. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Bei einem Symposium zum Rosensteinprojekt stellt sich vor allem diese Frage. Die Landschaftspläne genießen große Sympathie. Doch die Bevölkerung muss für das Konzept noch gewonnen werden, heißt es.

Das Rosensteinquartier ist Stuttgarts große Hoffnung auf eine klimaschonende Erweiterung der Innenstadt und über 5000 zusätzliche Wohnungen. Ungefähr fünf Jahre vor der frühestmöglichen Beseitigung von Bahngleisen steigt die Spannung, ob das Projekt am Ende den Ansprüchen an das Bauen und an Verkehrskonzepte in Zeiten der Klimakatastrophe gerecht wird. Mehr und mehr geht es um die Frage, ob 0,1 Pkw-Stellplätze pro Wohnung – verbunden mit Carsharing-Angeboten 0,2 Stellplätze – ausreichen. Oder anders ausgedrückt: wie autoarm das Quartier sein kann.

Am Montag fand im Stadtpalais fünf Stunden lang der zweite Teil des Symposiums Stuttgart-Rosenstein statt, das die fünf Stuttgarter Kammergruppen der Architektenkammer Baden-Württemberg mit der Stadt veranstalteten. Der Hamburger Verkehrsplaner Konrad Rothfuchs konstatierte da vor rund 90 Besuchern im Saal und 230 Zuschauern beim Livestream, der Stellplatzschlüssel sei sehr mutig. Dabei möchte auch er die Städte ruhiger und für Fußgänger zugänglicher machen. Aber: „Irgendwann wird es zu einer Milieuplanung.“ Eben die möchte Matthias Schuster vom Stuttgarter Büro LEHEN drei vermeiden: Mit dem angepeilten Stellplatzschlüssel werde das Quartier so zunächst einmal kein Viertel für alle. Und: Wenn die vorgesehenen Quartiersgaragen nicht ausreichten, werde es schwer, weitere zu implantieren. Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne) sagte, der Stellplatzschlüssel werde ein spannender Diskussionspunkt. Bis Ende 2022 solle der städtebauliche Rahmenplan fertig sein, Anfang 2023 in den Gremien der Stadt und mit der Bevölkerung diskutiert werden. Pätzold nahm am Montag vor allem mit, dass die Planung am Ende genug Luft bieten müsse, damit bei einem Nachjustieren im Entwicklungsgebiet nicht das ganze Konzept über den Haufen geworfen werde. Aber er sei zuversichtlich.

Für die Planer gibt es nicht wenige Hemmnisse

Das galt auch für die Runde der Diskutanten. Das Große und Ganze der bisherigen Planungen von Köber Landschaftsarchitekten und vom Büro asp für Stuttgarts größtes Stadtentwicklungsprojekt mit 85 Hektar Boden schien der Runde richtig aufgesetzt zu sein. Der Landschaftsarchitekt Christof Luz empfahl Jürgen Köber immerhin, an der Hangkante zwischen dem Planungsgebiet und dem tiefer liegenden Unteren Schlossgarten das Gelände stärker zu perforieren, nicht aus Rücksicht auf alte Genehmigungsbeschlüsse und aus Sorge vor zu viel Bodenaushub und „Bodentourismus“ von vornherein minimalinvasiv zu planen. Dagegen ließ Köber durchscheinen, dass man früher genehmigte ökologische Ausgleichsflächen aus Gründen von Aufwand und Zeit lieber nicht antasten solle. Er wolle kein Ämterbashing betreiben, aber in Coronazeiten sei man vorübergehend an Grenzen der Verständigung geraten.

Derweil werden Oberflächenwasser und aufbereitetes Spülwasser aus Haushalten für die Planer beim Ringen um die Natur in der Stadt und um Resilienz immer wichtiger. Auch da gibt es Herausforderungen, deutete Peter Hausdorf vom Berliner Büro SINAI an. Dieter Grau (Büro Henning Larsen) aus Überlingen bemerkte, mehr oder weniger Bürokratie sei der Alltag der Planer. Bei Rosenstein müsse jetzt die Vision folgen. Den Funken könne bei der Bevölkerung keine Werbeagentur zünden – die Planer müssten ihr Projekt auf die emotionale Ebene heben.

Kammerpräsident Markus Müller sagte, Ziel sollte es sein, im Rosensteinviertel etwas hinzubekommen, was „für die nächsten 100 Jahre hält“. Der Freiraum, der da entstehe, sei eine Riesenchance für Stuttgart.