Dicht dran: Die Abrissbagger arbeiten sich bis ans alte Rathaus an der Fellbacher Straße vor. Bis 2020 müssen die Mitarbeiter noch in ihren Büros agieren. Foto: factum/Granville

Das Großprojekt soll die Stadt gut 35 Millionen Euro kosten und den kalkulierten Rahmen einhalten. Eine Kostenexplosion wie bei anderen Großprojekten ist damit verhindert – zumindest vorerst.

Remseck - Die Liste öffentlicher Bauprojekte, deren Kosten aus dem Ruder laufen, ist lang. Die Neue Mitte in Remseck wird aller Voraussicht nach nicht hinzukommen – was nicht nur daran liegt, dass das Vorhaben um einige Stufen kleiner ist als Stuttgart 21 oder der Berliner Großflughafen BER. Es liegt vor allem daran, dass die Stadt ein „sensationelles Ergebnis“ bei der Vergabe der Arbeiten eingefahren habe. So beschrieb es der Architekt von neuem Rathaus und Stadthalle, Uwe Hein, am Dienstag im Gemeinderat.

Angesichts der guten Auftragslage in der Bauwirtschaft wäre laut Hein auch eine Kostensteigerung möglich gewesen. Tatsächlich blieben die Angebote jedoch exakt in dem Rahmen, den die Stadt gezogen hatte: Demnach wird die Neue Mitte etwas mehr als 35 Millionen Euro kosten.

Aufträge im Wert von mehr als 21 Millionen hat das Gremium am Dienstag gleich vergeben, weitere Arbeiten werden zu einem späteren Zeitpunkt beauftragt. Für die ersten Aufträge gibt es Festpreise, Lohnsteigerungen und teurer werdendes Material mussten die Baufirmen bereits einkalkulieren. Eine Garantie dafür, dass die 35 Millionen am Ende nicht gesprengt werden, gibt es gleichwohl nicht. „Wir würden uns aber freuen, wenn die Zahlen auch zum Schluss so dastehen“, sagte die Freie-Wähler-Rätin Isabel Eisterhues.

Nur 90 Bieter aus ganz Europa

Getrübt wurde die Freude von der Zahl der Anbieter: Nur 90 Firmen hatten sich an der europaweiten Ausschreibung beteiligt, nie war das Interesse an einer Remsecker Großbaustelle geringer. Für einige Arbeiten fand sich gar keine geeignete Firma, hier muss noch einmal ausgeschrieben werden. Die Architekten HHL aus Ludwigsburg erklären diese Zurückhaltung mit der hervorragenden Auslastung der Bauunternehmen derzeit. Als die Stadt 2011 das neue Feuerwehrhaus „Rechts des Neckars“ bauen wollte, bewarben sich noch 242 Unternehmen, also fast drei Mal so viele wie heuer, um den Auftrag.

Von den gesamten Kosten entfallen etwa 18 Millionen auf das neue Rathaus, das entlang der Remstalstraße gebaut wird. Hier werden künftig alle Mitarbeiter der Stadt sitzen, zurzeit agieren sie in mehreren Immobilien in den Stadtteilen. Im Frühjahr 2020 soll das Haus fertig sein, der endgültige Umzug dann im Sommer erfolgen. Mitte 2020 wird im letzten Schritt das alte Rathaus abgerissen und an dessen Stelle ein Marktplatz gepflastert. Letzterer belastet die Stadtkasse mit 1,3 Millionen.

Heiraten im Gerätehaus der Feuerwehr

Mit mehr als sieben Millionen Euro schlägt die Stadthalle zu Buche, die an der Fellbacher Straße stehen wird. Vergleichsweise günstig fällt der dritte Teil des Zentrums aus, der sogenannte Kubus. In diesem Aufsatz auf die Stadthalle soll ein Bibliothek einziehen, zudem wird es ein Lesecafé geben. Bauen wollte es die Stadt nur, wenn der 35-Millionen-Rahmen nicht gesprengt wird – was nun der Fall ist. Die FDP-Fraktion, die stets für eine größere Bibliothek gekämpft hatte, enthielt sich am Dienstag dennoch der Abstimmung.

Dass das Projekt nicht nur politisch vorangeht, ist auf dem Rathaus-Areal zu sehen. Bagger brechen derzeit bereits Anbauten des alten Verwaltungssitzes ab, die Parkplätze auf dem Gelände sind seit Montag nicht mehr nutzbar. Mitarbeiter und Besucher sollen ihre Autos laut der Stadt nun am Neckarremser Schifferclub abstellen, und dann am Fluss entlang zum Rathaus laufen. Auch Brautpaaren ist der Baulärm im Ratssaal nicht mehr zuzumuten: Der Gemeinderat hat jedenfalls entschieden, neue Orte für Traufeiern zu widmen.

So kann künftig auch in der Gemeindehalle im Stadtteil Hochdorf geheiratet werden – oder im Feuerwehrgerätehaus in der Marbacher Straße.