Der Ludwigsburger Bahnhof – hier noch mit Toys-R-Us-Logo, wirkt wenig einladend auf Besucher. Foto: factum//Simon Granville

Die riesige Leerstand im Hauptgebäude, die unklare Zukunft des Nestlé-Areals, der marode ZOB – der Bahnhof und das Umfeld sind eine Problemzone in Ludwigsburg. Vom Wohlfühlbahnhof redet niemand mehr. Ändern soll sich trotzdem etwas.

Ludwigsburg - Genau ein Jahr ist vergangen, seit die Spielwarenkette Toys-R-Us ihre Filiale am Ludwigsburger Bahnhof geschlossen hat. Für die 15 Mitarbeiter war es ein harter Schlag, sie haben ihren Job verloren. Für die Stadt allerdings war der Aderlass auch mit einer Hoffnung verknüpft: mit der Hoffnung, dass die schon lange avisierte Umgestaltung des Hauptgebäudes tatsächlich Formen annimmt. Zwölf Monate später lässt sich konstatieren: Sie hat sich nicht erfüllt. Toys-R-Us war mit 3000 Quadratmetern Verkaufsfläche der mit Abstand größte Mieter im Bahnhof, aber dort, wo früher Spielwaren verkauft wurden, klafft immer noch eine riesige Lücke. „Schön ist das nicht“, sagt ein Mitarbeiter eines benachbarten Geschäfts. „Es wäre an der Zeit, dass hier mal etwas passiert.“

Schön war der Ludwigsburger Bahnhof nie. Schon vor Jahren hatte der ehemalige Oberbürgermeister Werner Spec das Projekt Wohlfühlbahnhof ins Leben gerufen, die Vision also, dass aus dem unübersichtlichen, dunklen und verwinkelten Gebäude mit der ständig überfüllten Unterführung ein Ort wird, den Menschen gerne besuchen. Zeitweise stand gar die Idee im Raum, das Gebäude abzureißen und neu zu bauen.

Der neue OB will eine Vision für den Bahnhof entwickeln

Getan hat sich nichts, aber jetzt hat der neue OB Matthias Knecht das Thema zurück auf die Agenda gesetzt. Vom Wohlfühlbahnhof redet Knecht nicht, aber auch er sagt: „Wir brauchen eine Vision für den Bahnhof.“

Das Problem: Das Gebäude befindet sich – durchaus eine Ludwigsburger Besonderheit – in Privatbesitz, es gehört dem Münchner Immobilienentwickler Dibag. Dort will man sich zur aktuellen Situation nicht äußern, telefonische und schriftliche Anfragen lässt das Unternehmen unbeantwortet. Knecht aber hat kürzlich mit Vertretern der Dibag gesprochen. „Wir haben verschiedene Varianten durchdacht“, sagt der OB. Entscheiden, was dort passiert, könne aber nur die Dibag, nicht die Stadt.

Das gilt sowohl für die kurzfristigen als auch die langfristigen Entscheidungen. Kurzfristig geht es für die Münchner darum, den Leerstand zu füllen. Wie man aus dem Rathaus hört, hat die Dibag einen Bauantrag eingereicht, um die vorhandenen Flächen neu zuschneiden zu können. Aller Voraussicht nach wird der ehemalige Toys-R-Us-Komplex wieder an einen oder mehrere Einzelhändler vermietet. Langfristig strebt aber auch Knecht, wie sein Vorgänger, eine größere Umgestaltung des Hauptgebäudes an. Der Bahnhof müsse zur Visitenkarte der Stadt werden, zu einem Aushängeschild, sagt er. „Das ist er derzeit nicht.“

Kritik am „Kaufhaus mit Gleisanschluss“

Ein Kernfrage dabei ist, welche Funktion die Immobilie künftig haben soll. Die Dibag setzt bislang voll auf Handel, weshalb Spötter in Ludwigsburg den Bahnhof gerne als „Kaufhaus mit Gleisanschluss“ bezeichnen. „Handel ist perfekt, um Leben in ein Gebäude zu bringen“, sagte der zuständige Dibag-Regionalleiter Anfang 2019, und an dieser Einschätzung hat sich offenbar wenig geändert.

Für die Stadt wiederum wäre es wichtiger, dass der Bahnhof als Mobilitätsdrehscheibe funktioniert. „Wir brauchen ein adäquates Empfangsgebäude für die Reisenden“, sagt der städtische Bahnhofsmanager Axel Müller. Nun gelte es, gemeinsam mit dem Besitzer und der Deutschen Bahn zu definieren, was dafür nötig ist.

Bäckereien, ein Supermarkt, eine Drogerie, ein Zeitschriftenladen – solche Geschäfte sind bereits vorhanden und allseits willkommen. „Ob aber am Bahnhof Spielwaren oder Elektroartikel verkauft werden müssen, kann man schon kritisch hinterfragen“, sagt Müller. Mehr Übersichtlichkeit, eine bessere Wegeführung – das wünscht sich der Bahnhofsmanager.

Einen Abriss sieht er skeptisch. Vielleicht, sagt er, „wäre eine Modifikation zeitgemäßer“. Die Dibag schien in der Vergangenheit die Investition in eine Umgestaltung nicht ganz abzulehnen, knüpfte dies aber indirekt an eine Bedingung. Wenn ringsum modernisiert werde, werde auch die Dibag „ihrer Verantwortung gerecht“, sagte der Regionalleiter einst.

Was passiert mit dem ehemaligen Nestlé-Grundstück?

Das Unternehmen wartet demnach ab, was im Umfeld passiert, denn auch dort gibt es einige ungelöste Probleme. So will die Stadt ebenfalls schon lange den Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) umbauen, barrierefrei machen; die Ladenzeile am Rand soll verschwinden, die Gehwege sollen breiter werden. Auf der anderen Gleisseite wartet das nächste Großprojekt. Bis Ende März soll das ehemals Nestlé gehörende Industriegrundstück verkauft werden, eine Hälfte wird an einen privaten Investor, die andere Hälfte an die Stadt gehen. Noch sei nicht klar, was danach auf dem Gelände geschehe, sagt Knecht.

Denkbar wäre, dort Start-ups und Unternehmen aus der Kreativbranche anzusiedeln. Auch über den Bau eines Hotels wurde schon nachgedacht. Verschiedene Abteilungen im Rathaus spielen die Varianten gerade durch. „Ich bin da sehr offen“, sagt der OB. Er sei aber überzeugt, dass man für die drei Projekte – ZOB, Hauptgebäude und Nestlé – ein aufeinander abgestimmtes Konzept brauche.

Der ZOB-Umbau wird jedoch aller Voraussicht nach nicht vor 2024 beginnen, also wird bis dahin vermutlich auch die Dibag die Füße still halten. Dass die Stadt, wie bei Nestlé, selbst einspringt und ein Kaufangebot für das Bahnhofsgebäude abgibt, schließt Knecht nicht völlig aus. Der Erwerb stehe aber momentan nicht im Vordergrund. „Mir geht es jetzt erst einmal darum, eine gute Beziehung zur Dibag aufzubauen – mit dem Ziel, dass wir gemeinsam zu guten Lösungen kommen.“